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Kästners „Schule der Diktatoren“: Hochgezüchtete Präsidenten

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Evelyn M. Faber in der „Schule der Diktatoren“. Foto: Andreas J. Etter
Evelyn M. Faber in der „Schule der Diktatoren“. Foto: Andreas J. Etter © Andreas J. Etter

Erich Kästners „Schule der Diktatoren“ in Wiesbaden. Von Johanna Krause

Mit übertriebenem Klamauk, aber durchaus fesselnd bietet die Inszenierung „Die Schule der Diktatoren“ mit neun Bildern in der Wiesbadener Wartburg einen aktuellen Blick auf die schwarze Komödie von Erich Kästner. Manipulation am Volk hat Kästner miterleben müssen. Das Staatstheater Wiesbaden hat erkannt, wie erschreckend relevant diese Thematik in der Gegenwart ist. Am schwärzesten im Stück ist der Schnauzer des Präsidenten.

Hat Putin einen Doppelgänger? Sitzt da der echte russische Präsident mit nacktem Oberkörper auf dem Pferd, ist es eine Fälschung? Das klingt nach einem schlechten Scherz, aber die Frage nach politischen Doubles wird immer wieder gestellt und lässt sich in Zeiten der Digitalisierung mit Fake News und Grafiksoftwares kaum noch beweisen. Mit oder ohne Verschwörungstheorie.

Austauschbare Marionetten

Erich Kästner hat bereits vor knapp 70 Jahren die Frage in seinem 1957 an den Münchner Kammerspielen uraufgeführten Theaterstück „Die Schule der Diktatoren“ mit satirischer Überspitzung gestellt. Aus einem Stück mit über dreißig Rollen eine Fassung für ein kleines Ensemble zu erarbeiten, ist keine leichte Aufgabe; Regisseur Bjarne Gedrath und das Ensemble zeigen dabei mit ganz eigenen Theatermitteln die Inszenierbarkeit von politischer Macht und die Manipulation der Menschen. Da gibt es drei sich auflösende Regierungen, deren politische Ausrichtung keine Rolle spielt.

Die Regierung besteht aus einer fragwürdigen Konstellation, dem Kriegsminister im Rollstuhl, dazu Premierminister, Leibarzt und Stadtkommandantin, die sich austauschbare Marionetten als Herrscher heranzüchten: „Meine Meerschweinchen“ nennt sie der zuständige Professor. Falls ein Double durch ein Attentat zu Tode kommt oder in seiner Amtszeit eine freie Meinung äußert, wird es beseitigt. Der wahre Diktator ist längst tot, die Präsidentengattin wird albern von einem Major bei der Stange gehalten, damit sie die Farce nicht auffliegen lässt. Das Volk wird manipuliert. Dass der beratenden Funktion die Macht in der Diktatur gehört, hat auch Kästner am 10. Mai 1933 bei der Verbrennung seiner Bücher erlebt, die als „zersetzende undeutsche Literatur“ bezeichnet wurden. Eine schriftliche Verarbeitung der NS-Zeit war dieses Theaterstück.

Zur Inszenierung gehört eine Videoinstallation von Mario Simon. Sie offenbart die politische Scheinheiligkeit durch intermediale Überlagerung: Ein winterliches Idyll mit wedelndem Skifahrer, Werbemontagen einer lachenden jungen Frau und kitschige Landschaftsbilder mit eingeblendeter Überschrift „Zufriedenheit“, gepaart mit der Verdopplung des Präsidentenportraits mit schwarzem Schnauzbart. Er teilt seinem Volk eine „Amnestie der Gefangenen“ mit und überlebt seine Rede im Unterhemd nicht. Die ohne Uniform sind die, die hier Gesicht und Haltung zeigen. Die Macht bleibt am Ende bei den „Hampelmännern“, die sie immer hatten.

Inszeniert wird eine Phrase ohne politischen Inhalt, dazu spielt Beethovens revolutionäre 3. Sinfonie „Eroica“. Die Figuren sind überdreht, überzeichnet, launig. Die Prostituierten im Stück tauschen die Männer aus, die Regierung ihre Doppelgänger. Die leise Metaphorik des Stücks legt den Grundton aktueller politischer Machenschaften offen.

Staatstheater Wiesbaden:

28. und 30. April, 26. und 27. Mai. www.staatstheater-wiesbaden.de

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