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Junges Schauspiel: Was ist okay?

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Von: Andrea Pollmeier

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„Balance – zehn Versuche, die Welt zu verstehen“.
„Balance – zehn Versuche, die Welt zu verstehen“. Foto: Robert Schittko © Robert Schittko

Das Junge Schauspiel sucht im Museum Weltkulturen nach der Balance

Ich hasse Balance“ ruft Helen Teketel empört. Sie steht auf der Treppe im Weltkulturen Museum. Dort wird die Ausstellung „healing. Leben im Gleichgewicht“ gezeigt und zugleich das neue Stück des Jungen Schauspiel Frankfurt „Balance. Zehn Versuche, die Welt zu verstehen“ uraufgeführt. Helen ist Teil dieser Performance, in der zehn junge Personen ihr Publikum mit performativen Interventionen durch die Ausstellung leiten. Auf dem Weg ins obere Stockwerk stützen sie sich wechselseitig. Einige eilen jedoch voran, lassen den anderen unerwartet los. Helen hat gerade noch ihr Gleichgewicht halten können.

Im Weltkulturen Museum dreht sich gerade alles um Fragen der Balance. Arbeiten der New Yorker Performance-Künstlerin Marina Abramovic sind in der von Mona B. Suhrbier und Alice Pawlik kuratierten Ausstellung zum Beispiel neben Werken von Multimedia-Künstlern aus Brasilien und Peru zu sehen.

Wie kann man die Schädigung der Umwelt vermeiden, wie gelangen Natur und Mensch wieder in ein Gleichgewicht? Geben indigene Kulturen wegweisende Impulse? Die jugendlichen Darsteller lassen sich, angeleitet durch Martina Droste (Regie und Konzept) und Stephanie Endter (Konzept) von den gezeigten Werken zu weiteren Fragen und Diskussionen inspirieren.

Bevor Helen und das Performance-Team (zu dem auch noch Nazir Akbari, Jona Gabriel Harnisch, Livia Jarnagin, Julia Pavic, Sunny Seohui Lee, Elias Stephan, Justus Stolze, Francesca Ventriglia, Siar Yildiz zählen) die Treppen nach oben steigen, lenken sie in parallelen, geloopten Aktionen ihr Publikum durch den unteren Teil der Ausstellung.

Alle sind in Pink gekleidet (Kostüme: Anna Sünkel). Die leuchtende Kleidung wirkt wie ein optimistisches Statement, das sich ästhetisch deutlich von der Umweltinstallation des Künstlers Alejandro Durán und dessen hellblauem Müllberg abhebt. Der Müll, der sich auf dem Foto „Washed Up“: Transforming a Trashed Landscape“ (2013) des Künstlers am Strand von Mexiko auftürmt, wurde von Durán mitgebracht und auf dem Boden der Museumsvilla verstreut. Selbst Plastik aus Bad Homburg ist so von dort in die Herkunftsregion zurückgekehrt.

Man spürt die kraftvolle Resonanz der ausgestellten Kunstwerke. Sie regen die Jugendlichen nicht nur zu Fragen, sondern auch zu Streitgesprächen und Liedtexten an. Wer sich in einen Versuch, die Welt zu verstehen, zu sehr vertieft hat, wird nach einer Weile vom Klang eines Liedes zum Weitergehen angeregt. Nach und nach haben alle das Protestlied der 80er Jahre „Nach dieser Erde“ angestimmt (Chorleitung: Christina Lutz). Der Kanon, der während der Proteste gegen den Nato-Doppelbeschluss bekannt wurde, zieht das Publikum wieder an einem Punkt zusammen, bevor es nach oben geht und man sich erneut in den Räumen verstreut.

Gegen Ende fordern die Jugendlichen dazu auf, sich zu positionieren. Ist es beispielsweise „voll okay“, Schokolade eines Herstellers zu essen, dessen Produktionsmethoden die Umwelt schädigen? Wann ist für solche Probleme der Staat und nicht der Einzelne verantwortlich?

Am Ende der Performance sind zahlreiche neue Fragen entstanden, die sich nahtlos an die Kunstwerke der Ausstellung anschließen.

Schauspiel Frankfurt , im Weltkulturen Museum: 21. März. www.schauspielfrankfurt.de

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