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Jetse Batelaan im Mousonturm: Rhythmus für alle und alles

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Von: Sylvia Staude

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Sie wissen nicht, wie ihnen geschieht.
Sie wissen nicht, wie ihnen geschieht. © Christian Schuller

Jetse Batelaan zeigt im Mousonturm, wie Menschen und Dinge mitgerissen werden.

Wir wollen wirklich nicht kleinlich sein, denn das Stück „Tanz ist tolle rhythmische Bewegung zu Musik“ ist, soviel sei gleich verraten, ein konzentrierter, knapp einstündiger Spaß. Aber im Programmblatt zur jüngsten Arbeit des Niederländers Jetse Batelaan und seines Theaters Artemis wird heftig geflunkert. Denn da steht schwarz auf weiß: Man wisse, „nichts finden junge Menschen abstoßender als Menschen über 40, die sich auf der Tanzfläche verausgaben“. Und weiter: „Deshalb versprechen wir feierlich: Es wird nicht getanzt. Ein Ehrenwort.“

Aber dann: hier tanzt alles (im Rahmen seiner Möglichkeiten natürlich), hier kann offensichtlich nichts den Beats vom Torben Piel (Les Trucs) widerstehen. Nicht ein Zelt mit Lichterkette, das sich wiegt und biegt. Nicht ein paar Stellwände und eine Kabelrolle. Nicht der Schal, die Kapuze, sogar die Brille und die Handy-Hülle flattern, wippen, klappen im Takt. Irgendwann zucken auch die drei Menschen – Elias De Bruyne, Tjebbe Roelofs, Esther Snelder – wie verrückt, unterwerfen sich den Ansagen einer famos grollenden Master-of-Ceremonies-Stimme, heben die Arme, schütteln sich (oder werden sie geschüttelt, von einer Macht, die stärker ist als sie?). Sie vergessen völlig, dass sie doch gerade noch auf ihre Kinder gewartet, ihren Kindern hinterher telefoniert haben.

Jetse Batelaan, dessen „Tanz ist tolle rhythmische Bewegung zu Musik“ jetzt im Frankfurter Mousonturm Uraufführung hatte, ist der Schelm unter den zeitgenössischen Regisseuren. Er macht Jugendtheater, zu dem auch Erwachsene sich keineswegs herablassen müssen. Er gibt dem Theater das Spielerische zurück, beweist, dass es alles kann und alles darf – außer mit dem Zeigefinger zu drohen. Aus der Zusammenarbeit mit dem Mousonturm entstand 2019 bereits "(.....) Ein Stück, dem es scheißegal ist, dass sein Titel vage ist“, in dem sich drei junge Leute über einen Theaterbesuch mit ihrem Lehrer unterhalten.

Und nun also ein Tanz-Stück, das frech behauptet, kein Tanz-Stück zu sein. Das sichtbar macht, dass sich niemand (und: nichts) einem kräftigen Rhythmus entziehen kann.

Es startet mit einer Choreografie weißer Papierstreifen auf dem Boden, im Takt richten sie sich auf. Dann beginnen die Stellwände hin und her zu gleiten, fällt das Zelt mit punktgenauen Zuckungen ein. Die Wände geben kurz den Blick auf einen der Menschen frei. Und plötzlich auch auf einen, zwei, schließlich drei Menschen, aus denen die Bewegung bricht – und die ratlos scheinen, was da mit ihnen passiert. Alles verschiebt sich in dieser Bühnenwelt (Batelaan, Eva Koopmans), die Choreografie der Dinge verzahnt sich mit der der Menschen. Und zuletzt auch noch mit einer Schaum-Zunge, die sich aus dem Zelt schiebt, verführerisch glitzernd im Licht. Die drei zögern auch nicht, darin weiterzutanzen, nun ganz den Beats und dem Rhythmus dieser Takt-Welt hingegeben.

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