1. Startseite
  2. Kultur
  3. Theater

„Inferno“ und „Tanzanweisungen“: Menschen, die alles geben

Erstellt:

Von: Sylvia Staude

Kommentare

Außer Rand und Band in „Inferno“. Foto: Donato Aquaro
Außer Rand und Band in „Inferno“. Foto: Donato Aquaro © Donato Aquaro

Zwei höllisch gute Produktionen beim Tanzmainz-Festival

Vielverwendet und darum schon ganz schön ausgeleiert ist Jean-Paul Sartres Spruch „Die Hölle, das sind die anderen“. Der italienische Choreograf Roberto Castello nennt sein Stück „Inferno“, kommt aber zum Ergebnis, dass im Zeitalter der Selbstoptimierung wir alle unsere Hölle mehr oder weniger freiwillig wählen. Die fabelhaften Tänzerinnen und Tänzer der Company „Aldes“ geben zum Thema ihr Bestes, karikieren es gleichzeitig in überzogenen Posen, veralbern sich selbst, sind gegen Ende eine Chorus Line außer Rand und Band. Ihr Lächeln ist festgetackert, ihre Münder sind offen wie zur unaufhörlichen Begeisterung.

Mit dem gut einstündigen „Inferno“ im Kleinen Haus und dem Solo „Tanzanweisungen“ von Moritz Ostruschnjak im U17 – eine halbe Stunde kurz, aber oho – ging das Tanzmainz-Festival weiter. Zwei Choreografien, die als Gemeinsamkeit haben, dass ihre Schöpfer sehr genau wissen, was sie wollen und wie sie es vor allem auch dramaturgisch erreichen, die es dabei glücklicherweise unnötig finden, dieses Wollen zu erklären.

Mitswingende Bäumchen

Drei kahle Bäumchen stehen zu Beginn von „Inferno“ auf einem Hügel, dahinter explodiert immer mal wieder eine Silbersterne sprühende Rakete, bald bewegen sich auch die Bäumchen mit (3D-Video: Castello). Nach und nach kommt das Ensemble rein, die Frauen im Glitzerbikini, Babydoll oder edlen Morgenmantel, die Männer im schnöden Schlafanzug und Feinripp. Sie scheinen erstmal zu üben für einen großen Auftritt, wild gemischt ist die Bewegungssprache, sind die Gesten und Posen. Man produziert sich. Die Frau im Diven-Morgenmantel schimpft über irgendwas. Eine weitere kommt dazu und spricht ein Machtwort.

Eine Szene führt in eine Ausstellung, das Ensemble erscheint als typische Vernissagengäste (Kostüme: Desirée Costanzo), die rumstehen und plaudern. Bis eine „Bombe“ mit bitzelnder Zündschnur hereinrollt – und folgenlos wieder herausrollt, außer dass das modisch-coole Trüppchen ausflippt. Dann aber wird Party gefeiert, werden die Hüpfer größer, wird alles wilder und wilder, Kleidungsstücke fliegen in die Ecke.

Manchmal nimmt sich Castello alle Zeit der Welt, dann wieder gibt es in dieser Choreografie kein Halten mehr. Besonders furios im Finale, als plötzlich alle Glitzer tragen, Federkopfputz dazu, die Beine schmeißen. Feuerwerk.

Auf einem schlichten Podium, wie in einem Boxring lässt der in München beheimatete Moritz Ostruschnjak seinen Tänzer antreten. Zurecht erntet Daniel Conant zuletzt Jubel, denn diese „Tanzanweisungen“ – ohne gesprochene Anweisungen, außer man zählt zuletzt den Song „Mussolini“ von D.A.F. – sind auch eine Art Extremfitnessprogramm. Das bei aller Verausgabung eine besondere Präsenz erfordert, so ganz allein vor einem nah sitzenden Publikum.

Conant, in Sportdress und Turnschuhen, beginnt mit einem Schuhplattler. Es folgt in atemberaubender Unermüdlichkeit so ziemlich alles zwischen Rapper-Pose, Modern-Dance-Klischee und Ballettsprung. Letzteres natürlich nicht tadellos ausgeführt, denn wie soll man in Turnschuhen die Füße strecken, aber doch so, dass man die Sequenzen in bekannte Schubladen stecken kann. Dies fast ohne Musikbegleitung; interessant aber, wie man das Bewegungsmaterial sofort anders wahrnimmt, wenn dazu „Sound of Silence“ erklingt.

Staatstheater Mainz: Festival bis 19. März. www.staatstheater-mainz.com

Auch interessant

Kommentare