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„Valeska und ihre Schritte“ im Theaterhaus Frankfurt: Sie tanzt aus der Reihe

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Katrin Schyns als Valeska – und als Katrin Schyns. Katrin Schander
Katrin Schyns als Valeska – und als Katrin Schyns. © Katrin Schander

„Valeska und ihre Schritte“ am Theaterhaus Frankfurt. Von Johanna Krause

Mit einem ordentlichen Wumms ertönt Johann Strauss’ Radetzky-Marsch als Auftakt auf der Bühne des Frankfurter Theaterhauses. Im weißen, bodenlangen Tüllrock, mit erhobenen Armen und erwartungsfrohem Blick rennt nun die Schauspielerin Katrin Schyns auf die Bühne und eröffnet ihr Solostück mit einer frenetischen Begrüßung des jungen Publikums. Nun folgen 45 Minuten Erlebnispark mit turbulenten Bildern und in lebhaftem Ton. Hat man sich einmal hineingefunden in das ungestüme, unkonventionelle Spiel reiner Unabhängigkeit, bleibt der Spannungsbogen bis zum Schluss erhalten.

Durchdacht und kindgerecht entwickelt sich in der Inszenierung von Maud Haddon und Céline Vajen das rege Wechselspiel aus Schyns’ exzentrischer Körperarbeit und der Geschichte der jüdischen „Grotesktänzerin“ Valeska Gert aus den 20er Jahren, die sich zu Lebzeiten in keine Schublade stecken ließ. Die Kunst der Berlinerin galt in der NS-Zeit als „entartet“. Valeska Gert schockte ihr Publikum mit skandalösen Tänzen. Berlin, New York, Sylt waren die wichtigsten Lebensstationen der Tänzerin, erfährt das Publikum auch durch das theatrale Mittel eines bunten Kostümwechsels auf der sonst minimalistischen Bühne.

Valeska Gert emigrierte in die USA, hielt sich mit „Putzen, Spülen, Spielen“ über Wasser, bevor sie ihre berühmte „Bettlerbar“ in New York eröffnete. Sie schätzte das nächtliche Leben in der Bar und die Menschen, die hier verkehrten, und ließ sich davon inspirieren. Zurück in Deutschland, „tanzte“ sie zwischen den Trümmern der Hauptstadt. Sie machte Sachen, die andere nicht machten, scherte sich nicht darum, was andere dachten.

Auf der Theaterhausbühne spiegelt die Schauspielerin Schyns die autonomen Werte der Tänzerin. Sie schreit, grölt, lacht und verwandelt sich dann kurzerhand in ein Sargmodell und legt sich regungslos auf einen Tisch. Die Kinder prusten vor Lachen, an anderen Stellen beobachten sie die Schrägheit der Schauspielerin nur neugierig. Die vierte Wand löst sich zwanglos auf. Schyns adressiert die Kinder und mischt sich unters Publikum, stellt Fragen und entwickelt lebhaft einen Austausch. Befremdlich, wie man es bei einem für Achtjährige doch recht ungewöhnlichen Thema erwarten könnte, wird es dabei nicht.

Zwei Lebenswege

Die Essenz des Stücks liegt in der freien Bewegung und der partizipativen Form, in der Nahbarkeit und der Hommage an Valeska Gert. Fast unbemerkt treffen dabei die Lebenswege der beiden Frauen zu einem Zwei-Generationen-Tanz aus Vergangenheit und Gegenwart aufeinander, und eine vergessene Künstlerin bekommt erneut eine Bühne. „Valeska und ihre Schritte“ ermutigt dazu, nach der Stimme in sich selbst zu suchen, dem vielfältigen eigenen Potenzial zu vertrauen und die eigene Individualität zu schätzen.

Theaterhaus Frankfurt: 5.-7. Juli. Ab acht Jahren bzw. ab der dritten Klasse. www.theaterhaus-frankfurt.de

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