Helge Schneider in der Frankfurter Jahrhunderthalle: Das gewisse Alles mit einer guten Prise Anarchie

Helge Schneider fährt bekanntes, immer wieder komisches Repertoire auf.
Die Musiker hat er vom Arbeitsamt. Und gleich nach der ersten Nummer heißt es „Das war’s. Tschüss!“ Es gibt einiges an diesem Abend unter dem Titel ,,Der letzte Torero – The Big L.A. Show“ in der Frankfurter Jahrhunderthalle, das man zum x-ten mal hört und sieht bei Helge Schneider. Reichlich vom clownesken Grotesktanz beispielsweise, besonders bei den ersten Musiknummern.
Das rüde Reinkloppen des Mikrofons in den Halter ist für die Kunstfigur des schmierigen Entertainers typisch, genauso die drei harschen Schläge auf ein wie vom Sperrmüll geklaubtes Schlagzeug, das für nichts anderes als ebendiese drei Schläge aufgebaut ist. Und natürlich sind da wieder die mannigfaltigen Faxen und die ausufernden Conferencenerzählungen, in denen er Dinge kurios paradox kollidieren lässt. Er spielt grob geschätzt rund ein Dutzend Instrumente, samt dem fixen Griff zur Rassel oder schnell mal ein paar wenigen Blubbertönen vom Synthesizer – beides mit Lacheffekt.
Ganz viel Geläufiges – immer wieder umwerfend komisch frisch aufgemischt. Ein Kunststück. Was nicht heißt, dass Helge Schneider nichts Neues mehr einfallen würde. Es dürften ungefähr hälftig neue Lieder und „immer wieder gern gehörte“ gewesen sein, die das Repertoire ausmachten.
Letztere wandelt der 67-Jährige wieder und wieder neu improvisatorisch ab. Mit der Folge, dass selbst noch „Katzeklo“, diesmal mit einem windschiefen Geigensolo vom ewigen Zauselmaskottchen Sergej Gleithmann, auch beim werweißwievielten Mal keinen Überdruss weckt.
Mehr oder weniger häufig spielt diesmal das Leise eine Rolle, die – natürlich pointierte, denn was ist bei Helge Schneider schon nicht pointiert – Zurückgenommenheit des Gesangs wie des instrumentalen Spiels bis an die Grenze der Hörbarkeit. Vieles wirkt wie leicht hingeworfen, doch Schneider ist Improvisator und Perfektionist in einem. Von der exzellenten Band – Sandro Giampietro, E-Gitarre; Timo Schamborski, E-Bass und Willy Ketzer, Schlagzeug – ist ein hohes Maß an Beweglichkeit gefragt.
Scheint auch Helge Schneiders Humor vordergründig eher „unpolitisch“ zu sein, so spricht das anarchische Element zugleich gegen einen solchen Befund. Politisch äußert er sich hingegen bei seinen zahlreichen Talkshowauftritten. Mit Haltung, doch ohne „Programm“. Eher schon kommt einem dazu die Formel „Mensch bleiben!“ der Figur Adolf Tegtmeier des von Schneider verehrten und gleichfalls aus dem Ruhrgebiet stammenden Kabarettisten Jürgen von Manger in den Sinn. Helge Schneider sagt einfach, was er denkt. Wie kürzlich bei Maischberger, als er in nicht besonders diplomatischen Worten zum Ausdruck brachte, dass er als Musiker spiele, was er fühlt und sich um so etwas wie „kulturelle Aneignung“ nicht schere. Schneider bewegt sich immer an der Seitenlinie des Diskurses.
Es gelingen ihm, wie gesagt, immer wieder originelle neue Lieder und Texte. „Der letzte Torero“ etwa ist schlicht eingängig und hat das Zeug zum „immer wieder gern gehörten“ Lied der Zukunft.