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„GOTT“ im Fritz Rémond Theater: Knochentrocken

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Von: Marcus Hladek

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Gott verhandelnd: Lutz Reichert, Verena Wengler. Foto: Helmut Seuffert
Gott verhandelnd: Lutz Reichert, Verena Wengler. © Helmut Seuffert

Ferdinand von Schirachs „GOTT“ enttäuscht im Frankfurter Fritz Rémond Theater.

Ob „GOTT“ von Ferdinand von Schirach ein gutes Stück ist oder dramaturgisch trocken und nur mit seinem heißen Thema Sensation macht, ist schwer zu sagen. Was die acht Figuren im Rahmen der fiktiven Ethikratssitzung diskutieren, wird auch am Ende der Inszenierung Heinz Kreidls uns überlassen. Soll es Richard Gärtner, dem 78-Jährigen mit Todeswunsch, legal erlaubt sein, bei bester Gesundheit einen Arzt um Suizid-Assistenz anzugehen?

Mitverhandelt wird ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020, das dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben Vorrang vor dem Verbot der Sterbehilfe (Paragraf 217) gab. Mit dem grünen der vorab verteilten Kärtchen wird dies Recht bejaht, mit dem roten verneint. Im November 2020, als „GOTT“ über die Bildschirme ging, stimmten 71 Prozent des Publikums mit Ja, 29 Prozent mit Nein. Im Zoo fiel das Ergebnis ähnlich aus.

Erstaunlich, wie sehr das kontroverse Thema im Falle „GOTT“ die sinnliche Theatererfahrung aufzehrt. Auch „Antigone“ sprach Rechtsfragen an, blieb aber großes Theater. „GOTT“, knochentrocken im Stil von Dokumentartheater angelegt, gleicht einer Bürokratensitzung: endlose Sachargumente, aufs Stichwort abgespult. Würde man auf einen sogenannten Ethikrat, der im Stück soviel Autorität ausstrahlt, im wahren Leben nicht einfach pfeifen? Schade für die Darsteller, die sich ihrer Haut tapfer wehren.

Sein Recht auf Tod

Tom Grasshofs Bühne versetzt uns als Publikum vor ein Saalende mit fünf Sitzungstischen und einer Doppelreihe Stühle für die Sachverständigen. Es geht hin und her, gern auch zur Mitte, ansonsten ist von Dramatik kaum zu sprechen. Das helle Setting mit seinen je drei schön ausgeleuchteten Bögen und einem Eindruck noblen Stucks entspricht der Grundsituation.

Ulla Röhrs’ Kostüme und die Maske spiegeln den Anlass und tragen sehr zur Charakterisierung bei. Der Kostümhabitus eines Sendlings der Bischofskonferenz (Christopher Krieg als Bischof Thiel) erklärt sich von selbst. Hingegen strahlt der sterbewillige Herr Gärtner mit lichtem Langhaar und Ellbogenflicken 68er-Freigeistigkeit aus. Wie Kohlhaas besteht er auf seinem Recht auf Tod, sich also als „ordentlicher Mensch“ in rechtskonformer Öffentlichkeit töten zu dürfen statt im stillen Kämmerlein.

Uhrkette, Silberring und Reverstuch machen aus Prof. Sperling (René Toussaint) den Bundesärztekammer-Granden, der um Rang und Würde des Arztes als Heiler streitet wie ein Löwe. Verena Wengler spielt Gärtners Anwältin Dr. Biegler mit füchsisch rotem Haar und lila Sneakers zum braunen Kleid, was zu ihren Attacken auf normativere Ethiken passt, Iris Atzwanger führt als Vorsitzende vom Eck aus lose Aufsicht und lehnt am Bogen oder wandelt umher, wenn sie uns nicht frontal adressiert. Ines Arndt und Barbara Bach liefern sich ihre Gefechte elegant kostümiert als Ärztin Dr. Keller und Verfassungsrichterin Prof. Litten.

Nur wenn Gärtner wütet, Bischof Thiel unter Bieglers Fragen schwitzt (der beflissen faire Text gäbe genauso gut das Gegenteil her), wird in all dem Drama spürbar. Ein wichtiges Stück? Gewiss. Ein gutes? Oje.

Rémond-Theater, Frankfurt: bis 28. November. www.fritzremond.de

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