Mit Tänzerin wertiger

„3 Zimmer, Küche, Hinterbühne“: Die Volksbühne mit einer Revue über das Theater und Wohnungssuchende in Not.
Die neidischen Götter, so hat es sich der Autor Rainer Dachselt für die Volksbühne jetzt ausgedacht, haben zuerst für Streit (mit Liesel Christs Erben), dann für Schimmel in den Mauern, dann für „stachlige Viren“ gesorgt. So dass der tapfere Theatermann, also Michael Quast, mit seiner Truppe schon „dreimal hinuntergestoßen“ wurden von der Bühne in Frankfurts Hirschgraben. Aber sie ließen nicht nach. So dass der Fluch, der auf dem Cantate-Saal lastet, nun allenfalls noch „leicht mietmindernd“ wirken kann.
„3 Zimmer, Küche, Hinterbühne – Eine Besichtigung“ ist der Titel eines kompakt einstündigen Abends mit Tanz und Gesang, bei dem Matthias Faltz Regie führte, zu dem Dachselt den Text geschrieben hat, der zwischen Makler-Sprech und hohem Dramenton so ziemlich alles enthält. Es wird deklamiert wie gebabbelt, Dachselt ist selbst etwas steif, unter den Darstellern. Ekaterina Khmara tupft modernen Tanz dazwischen, immerhin bescheinigt man ihr, das Theater-Wohn-Objekt sei „mit Tänzerin wertiger“. Sebastian Muskalla versucht sich singend auch an Heurigem-Schmäh. Ulrike Kinbach hat den meisten Schwung und die beste Gesangsstimme.
Die Rahmenhandlung besteht aus einer Wohnungsbesichtigung: In Frankfurt herrscht Not, da muss auch ein Bühnenraum auf den Markt, schon gar, wenn es sich um ein Filetstück mitten in der Stadt und direkt neben Goethe handelt. „Das Flair bleibt“, findet der Makler, auch wenn man Schauspielerinnen und Autor, diese armen Schlucker, leider wird vertreiben müssen. Die kommen dann halt auch zum Besichtigungstermin, irgendwo muss man ja schlafen, notfalls auf der Bühne. Geld allaans macht ned glücklich, findet die Actrice, aber ohne ist es eben auch Mist.
Der Cantate-Saal könnte zu schicken „Grabowskihöfen“ werden, verhökert von der Firma „Mephisto-Immobilien“. Mal beim Fußball, mal bei „Faust“ oder bei Brechts „Geschichten vom Herrn Keuner“ dotzen Dachselts zahlreiche Anspielungen an. Als Autor ist er ein Jäger und Sammler, vieles, das er findet, macht in neuen Zusammenhängen frischen Spaß, anderes klemmt doch etwas seltsam darin. Hier zum Beispiel das durch Pete Seeger bekannt gewordene Lied „Little Boxes“, obwohl es so fidel gesungen wird von Ulrike Kinbach.
Als am 24. Januar die Volksbühne endlich im Großen Hirschgraben eröffnen konnte, stand Corona schon vor der Tür. Jetzt geht es dafür mit Volldampf voraus, nach einem Beckett (FR vom 18. September) nun gleichsam in eigener Sache. Zwar muss die Volksbühne nicht mehr die Fliegende Volksbühne sein, doch das Theater ist wie andere zweifellos in großer Not, da es derzeit nur spärliche Einnahmen hat.
Aber es versucht tapfer, sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf zu ziehen. Und auch wenn „3 Zimmer“ ein kleines, ein wenig windschief zusammengezimmertes Stück ist, so macht doch das muntere Ensemble einiges aus dem hin und her hüpfenden Text, der seinerseits durchaus Stärken und feine Wortspiele hat.
Volksbühne im Großen Hirschgraben, Frankfurt: 31. Oktober, 6. November. www.volksbuehne.net