„Feuer! de Maa brennt“: Hier redet jetzt das Volk

Rainer Dachselts „Feuer! de Maa brennt“ im Karmeliterkloster.
Als Jahr europaweiter Erhebungen war 1848 ein ernstes Ding mit gelegentlich komischem Anstrich. Man denke nur an Bayern, wo eine königliche Konkubine, Lola Montez, das Volk erzürnte, was zur Schließung der Uni München und Abdankung des Königs führte. So gesehen war es weise, den Frankfurter Paulskirchen-Part der 1848er Revolution einem Kabarettautor und Übersetzer, Rainer Dachselt, und Michael Quast von der Volksbühne im Großen Hirschgraben anzuvertrauen. Besser mit Witz, als uns volkspädagogisch mit ollen Daten und Fakten zu überschwemmen. Das ginge heutzutage unter wie die Grußrede für den Stadtrat im Kreuzganggarten des Karmeliterklosters.
Wie es sich für eine Insurgenz (Aufstand) gehört, gingen Dachselt und Quast die Sache an diesem Spielort mit „Feuer! de Maa brennt“ von unten an. Erst mit der späteren Performance „Dem Volk seine Rechte: Die Nationalversammlung tagt“ in der Paulskirche werden sie die Sache auf Parlamentsebene vorführen.
„Feuer! de Maa brennt“ also zeigt uns die Revolution in Frankfurt auf den Straßen und Barrikaden Frankfurts, seiner Stadtteile und Nachbarorte, in den Lokalen und zudem beim Verhör. Hier spricht, nein red, das Volk. Soweit das Paulskirchen-Parlament ins Spiel kommt, beglückt uns das neunköpfige Ensemble flüchtig mit großkopferten Rednern, die sowieso größtenteils aus Bart bestehen. Das Schwergewicht liegt stattdessen auf einer Mauerschau. Quicklebendige Frankfurterinnen und Frankfurter „von unten“ wie die Frauen Göpfert (Randi Rettel) und Lebelt (Ulrike Kinbach) lassen auf der Tribüne ihre politischen Helden hochleben wie Fußballfans im Stadion und treiben mit ihrem „Tratsch“ den lauen Bürger Hahn (Andreas Jahncke) mit seinem „Wer zahlt mir das?“ zur Verzweiflung.
Das dramaturgische Gerüst zum Revolutionsschwank liefert das den alten Akten abgeluchste Verhör zwischen Heinrich Situlus (zu deutsch: Eimer, gespielt von Quast) und dem Schneider Simon Niebergall aus Ginnheim (Gabriel Spagna), der ihn halb treudoof, halb listig vorführt. Spagna ähnelt Tony Curtis und spielt außer Aufrührern und Abgeordneten diesen armen Tropf, der der Liebe halber in den Aufruhr rutscht und sich waffenüberhäuft erwischen lässt.
Das ist September 1848 nach der Niederschlagung der Barrikadenhelden durch aus Mainz angerückte Preußen und Österreicher, als alle ihre Schießprügel an Simon aufgehängt und sich verdünnisiert haben. Eine echte Picaro-Gestalt, so toll gegeben wie das gesamte Spiel der Truppe inklusive singender Souffleuse (Daniela Fonda). Ob Simon mit einem blauen Auge davonkommt?
Regie führte Quast, der auch die Bühne eingerichtet hat. Stellwände dienen als Prospekt des Römers mit seiner Zikkurat-Fassade in Schießpulverwolken unter Bajonetten. Dazu Tische, Stühle, Schreibkram und dies und das. Salima Abardouchs Kostüme: liebevoll historisch bis zu den Schleifenhauben und Umspannbärten. Wunderbar die Lieder des Kleinorchesters unter Nina Wurman (Kontrabass, Klarinetten, Akkordeon, Drums), eine fröhlich-kluge alte Volksmusik in Marsch- und Wiegerhythmen, die erst jazzig-dissonant zerstiebt, bevor sie in Freiligraths Freiheitslied „Trotz alledem!“ nach Robert Burns und Lady McIntoshs Reel einmündet, eine durch Wolf Biermann neubelebte Melodie.
Sehr sehenswert, wie hoffentlich auch „Dem Volk seine Rechte“ in der Paulskirche (18. bis 21. Mai), zwanzigminütige Debatten-Collagen mit Gesang vom Heinrich-Heine-Projekt-Chor.
Volksbühne Frankfurt im Karmeliterkloster: 19.- 21. Mai. volksbuehne.net