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„family creatures“ im Mousonturm Frankfurt: Und hinten ein Typ namens Vorhang

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Von: Marcus Hladek

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Das „family creatures“-Setting. Aber wer ist wer? Foto: Martha Pinsker
Das „family creatures“-Setting. Aber wer ist wer? Foto: Martha Pinsker © Martha Pinsker

„family creatures“ von Pinsker+Bernhardt im Frankfurter Mousonturm.

Fruchtbare Verunsicherung gilt als ästhetisches Gold. Auch „family creatures“, das jetzt am Mousonturm in Frankfurt uraufgeführte neue Stück von Janna Pinsker und Wicki Bernhardt, legt den Gedanken nahe, man könne Menschen gar nicht jung genug, weil „8+“, fruchtbar verunsichern. Die Logik mag lauten: Wenn Kleinkinder mit antennenköpfigen „Teletubbies“-ETs in Stramplern in einer Golfhügel-Landschaft klarkommen, sollten Achtjährige locker die Verunsicherung verkraften, welche „family creatures“ bewirkt.

Grundthema ist das weite schräge Feld der Familie, die man sich (und die einen) nicht aussuchen kann: ein Bezugs- und Reibungspunkt für alle, egal ob es rundläuft oder nicht, welche Art Familie uns umgibt und wie das Chaos aus ungeschriebenen Gesetzen, Tabus und Stimmungen uns stützt oder schadet.

Außer dem Regie- und Performer-Duo treten auf: ein Schwanenchor, der dreiköpfig aus hohen Vasen ragt. Eine wie der Film-„Blob“ rollende Drei-Meter-Zunge, die im Off (vieles an Sound ist verfremdet) Schlürfgeräusche macht oder sich zu einer Interjektion im Sinne von „Nein“ aufschwingt. Ein Paar bestrumpfter Frauenbeine in Blau und Silberstiefeln mit Bewegungsautomatik, die sich Pinsker mal vorschnallt, mal zum Fernsehen auf dem pinken Sofa plaziert (Ausstattung: Martha Pinsker, Spezialeffekte: Carlos Franke und Simon Lenzen). Endlich ein Knäuel am Halsband als Hund und ein subjektivitätsbegabter Teil der Hinterwand, Rufname: „Vorhang“.

Vorzustellen ist dies auf Teppichböden in Grau und Pink, mit diverser Requisite und unter Sounds und Songs wie „We Are Family“ von den Sledge Sisters, dem feministischen Schwanenchor „Hausarbeit ist auch Arbeit“ und allerlei zwischen Melancholic Electronica und Post-Punk (Musik: Laura Landergott). Schwäne gehören übrigens dem König, der Hausarbeits-Mehrwert folglich Charles III..

Nun ist „family creatures“ für Leute „8+“ vorgesehen, aber wie das so ist mit Vorsehung und Freiheit: viel junges Publikum „18-“ kreuzte auch um 18 Uhr partout nicht auf im Saal. Schade, aber zur Matinee am Samstag mag es besser aussehen. Nachdem der Teletubbies-Vergleich dem in Gießen, Chicago und Berlin studierten Künstlerinnen-Duo vielleicht misshagt hat, ließe sich ob des Settings auch an Ionescos absurde Stücke und dank der herrschenden Lakonie an Samuel Beckett denken. Ganz schön happig für 8+, oder? Doch wie gesagt: für fruchtbare Verunsicherung ist es nie zu früh. Objekt-Familien wie diese mögen in der heraufdämmernden Realität der Robotik-Nannies zudem schon morgen Alltag sein. Je verschrobener Bühnenwelten über menschliche Beziehungen reflektieren, umso zukunftsträchtiger.

Mousonturm Frankfurt: 4. Februar, 16 Uhr. www.mousonturm.de

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