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„Fabian“ am Staatstheater Darmstadt: Berlin bleibt Berlin, wie es singt und lacht

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Von: Judith von Sternburg

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Irene Moll (l.) und Jakob Fabian. Foto: Martin Sigmund
Irene Moll (l.) und Jakob Fabian. Foto: Martin Sigmund © Martin Sigmund

Das Staatstheater Darmstadt macht aus Erich Kästner Roman „Fabian“ lieber eine Revue.

Berlin in Kunst und Kultur hat den Nachteil, dass jeder, der an die Stadt denkt, eh schon alles weiß. Vieles weiß. Vieles zu wissen glaubt. Einen Roman zu schreiben, einen Film zu drehen, ein Theaterstück zu inszenieren, in dem Berlin eine oder die Hauptrolle spielt, ist darum nicht so dankbar, wie es klingt. Und im Programmheft zu „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ ist eigentlich gerade der kleine Ausschnitt aus einem Erinnerungsartikel im „Darmstädter Echo“ zu den Monaten vor und nach dem 30. Januar 1933 ganz interessant. Wie fix es geht, Menschen auszusortieren, wie sichtbar und konkret das in einer Stadt wird, aber die Mehrheit ist halt nicht betroffen. Und sie wählte in Darmstadt wie in vielen hessischen Städten früh und reichlich rechtsextrem. Auf der Bühne aber bleibt Berlin doch Berlin, und Berlin kann erstaunlich unspezifisch sein.

Erich Kästners „Fabian“-Roman ist ein Großstadt-Roman par excellence, spielt in der Hauptstadt in den letzten Jahren, Tagen und Minuten der Weimarer Republik (denn 1931, als das Buch herauskam, war an vielem schon kein Zweifel mehr, was auch immer unsere Großeltern nachher sagten).

Und Fabians Weg führt unter anderem ins dollste, unverblümteste Nachtleben. Insofern lässt sich nichts dagegen sagen, dass auf der Bühne des Großen Hauses im Staatstheater Darmstadt alles so: berlinerisch ist. Verrucht, schnodderig und musikalisch, unkonzentriert und aufgekratzt. Aber es ist ulkigerweise auch von vornherein etwas bieder, sozusagen wie man sich das Verruchte, Schnodderige und so weiter im Stadttheater immer vorgestellt hat. Männer in Frauenkleidern, hui, und die coole Gabriele Drechsel im voluminösen Nacktkostüm. Vor allem ist es merkwürdig, wie pauschal das gerät und Fabians Geschichte damit doch unter die Räder einer fidelen, nachher zum Mitklatschen einladenden, aber über weite Strecken ganz allgemeinen Berlin-Revue.

Für die Inszenierung von Christoph Mehler hat Jennifer Hörr auf der Drehbühne ein mehrstöckiges Gerüst aufgebaut und ordentlich grelle Kostüme entworfen. Showtime statt „Fabian“: Das hat viel mit der Musik zu tun, obwohl die Musik für sich genommen das Beste am Abend ist. Die Musik und der Schauspieler Béla Milan Uhrlau, ein beweglicher, vor Leben oft ganz aufgedrehter junger Mann, einer, den man gleich mag, aber auf der Straße einer großen Stadt auch glatt übersehen könnte. So einer ist der Germanist, nachher arbeitslose Werbetexter und moralisch eingestellte Mensch Jakob Fabian, und Uhrlau macht das plausibel, während die Menschen um ihn her weitgehend im generellen Berlin-Gedöns versinken. Besonders gilt das für Fabians Freund Labude, Sebastian Schulze, dessen Rolle und Situation – ein aktuelles Akademikerdrama – in die Klamaukstimmung einfach nicht einzupassen ist und dessen Suizid dann gleich wieder umwitzelt wird (Witzelei und Satire: nicht das gleiche). Etwas weniger gilt es für die Frauen. Wobei man aus ihrer Darstellung für den Schulunterricht nicht direkt Schlüsse ziehen könnte, zum Beispiel.

Die Halbweltdomina Irene Moll ist Louisa von Spies, deren Hauptaufgabe darin besteht, sämtliche (halbwegs) zur Zeit passende Berlin-Lieder zu singen, was sie elegant macht. Rechts ist ein Sextett platziert (unter der Leitung des Pianisten Michael Nündel, der die Nummern auch arrangiert hat) und lässt stimmungsmäßig keine Wünsche offen. Als exemplarischer Liederabend zum Thema funktioniert das. Die ambitionierte Cornelia Battenberg, mit der Fabian ein Weilchen zusammenbleiben wird, ist die eindrucksvolle Edda Wiersch, aber ein Erzählfluss will und soll anscheinend nicht aufkommen. Stattdessen ziehen die Szenen so vorüber. Ausführlich grabbelt Fabian in der opulenten Blinddarmnarbe seines kugelrunden Chefs, Karin Klein. Und noch mal, und noch mal. Wütend schmeißt Cornelia, die mehr will vom Leben, mit der erbarmungswürdigen Matratze. Und noch mal, und noch mal.

Es gibt auch richtig starke Momente – die ratlos palavernden Arbeitslosen auf dem jetzt schon engen Sofa, und dann presst sich Fabian auch noch dazu. Aber danach lieber gleich der nächste Song. Ist es „Irgendwo auf der Welt“, ist es „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“? Spielt keine Rolle. Ein satter Drei-Stunden-Abend noch dazu, in der Pause huschten einige fort, andere hatten offensichtlich Spaß.

Staatstheater Darmstadt, Großes Haus: 6., 22. April. www.staatstheater-darmstadt.de

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