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„Erinnern Verändern“ mit dem Jungen Schauspiel Frankfurt: Maikäfer flieg ...

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Von: Marcus Hladek

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Das Junge Schauspiel Frankfurt mit „Erinnern Verändern“ im Historischen Museum: Die sieben, deren schneeweiße Kleidung nichts weiter verrät. Foto: Jessica Schäfer
Das Junge Schauspiel Frankfurt mit „Erinnern Verändern“ im Historischen Museum: Die sieben, deren schneeweiße Kleidung nichts weiter verrät. © Jessica Schäfer

„Erinnern Verändern“: Das Junge Schauspiel denkt im Historischen Museum Frankfurt über früher und heute nach.

Neunzig Minuten dauert es, das Spiel der sieben Jugendlichen, die ihr Publikum unter der Regie Martina Drostes und Jorma Foths zunächst von der Schneekugel im Kellergeschoss des Frankfurter Historischen Museums emporgeleiten zum Saal des Stadtlabors, um es am Ende der eindrücklichen Erfahrung wieder dem Finale unten zuzuführen.

Von 25 Teilprojekten aus der Stadtlabor-Ausstellung „Spurensuche im Heute“, die selbst zum Ausstellungs-Dreiteiler „Frankfurt und der NS“ gehört, griffen Joel und Ayse, Livia und Svenja, Jonas, Jared und Louis im Zuge sechswöchiger Proben etwa sieben in größerem Umfang auf. Aus den Gedanken und Gefühlen, die das auslöste, und anhand persönlicher Gespräche mit mehreren „Stadtlaboranten“ entwickelten sie in „Erinnern Verändern“ ihre eigenen Spielszenen und Dialoge.

Oben im Saal dauert es nicht lange, bis seine Stationen spielerisch, tänzerisch, szenisch als Parcours begangen werden, stets gefolgt vom Publikum. Wir lauschen der Lockung des als Szenentrenner verwendeten Liedes „Maikäfer flieg“ (Chor: Christina Lutz), folgen von einer Aufstellung zur nächsten Szene – und womöglich weht uns eine Vorstellung an, als werde dies verstreute Grüppchen junger Darstellerinnen und Darsteller von mächtigen Schicksalen durch die Geschichte geweht wie zu Zeiten des schrecklichen Dreißigjährigen Krieges, an den ihr Lied erinnert. Die Kostüme, von Anna Sünkel, sind so weiß und tabula-rasa-unschuldig, dass sich eine gewisse Universalisierung des Erinnerns umso mehr anbietet.

Droste arbeitet mit schlichten und frischen Mitteln, wie sie bei der Altersstufe gut funktionieren, aber auch selbstverfassten Texten der Spieler, die darin ihr individuelles Talent erproben und ihr Wesen herzeigen können. Jared Afework Gebru etwa baut seinen großen Auftritt zur eindringlichen Monologszene aus, die das Material aus der Ausstellung zum Anstoß nimmt, um nachzudenken über die Flucht seines Vaters aus Äthiopien, die eigene Lage als Sohn, der nicht mehr Amharisch spricht, und deutsche Identität. Wie er das Tonband einsetzt, um Ebenen, Zeiten, Sprachen, Welten nebeneinander zu stellen, und ein „Es hätte auch anders kommen können“ dazwischenspannt, erinnert leise an Samuel Becketts „Letztes Band“.

Spannend fand das Septett, das sich sehr schön unter die Arme griff, etwa auch die Erkenntnisse der Finanzbeamtin Gundi Mohr über die NS-legalistische Plünderung von Juden, Frank Pauluns Befreiung vom Schweigebündnis zweier Vätergenerationen in Polizei und Waffen-SS sowie das Thema Homophobie, das sie mit dem Willen zu geistiger Selbständigkeit aus vielen Winkeln bespiegelten. Bei Jugendlichen angekommen sind aber auch der Ukrainekrieg und Putin, wie ihre kritische Selbstreflexion als „friedensverwöhnte“ Generation zeigte. Die von Asal Khosravi konstatierte Zunahme an Alltagsrassismus fanden sie zutiefst „gruselig“.

Junges Schauspiel im Historischen Museum Frankfurt: 5. April, 10. Mai. www.schauspielfrankfurt.de

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