Eisa Jocson: Die Form stehlen, damit spielen

„Macho Dancer“ und „Corponomy“ im Eisa-Jocson-Doppel am Mousonturm.
Was die Philippinin Eisa Jocson uns mit ihrem Solotanzstück „Macho Dancer“ und dem Performance-Vortrag „Corponomy“ im Mousonturm-Saal bietet, kommt einer Gratwanderung gleich. Als sie vor einem Jahrzehnt nach Frankfurt kam, lieferte „Macho Dancer“ auf der T- und phallusförmigen Laufstegbühne, damals noch im engen Studio, ein Echo jener Nachtclub-Szene von Manila, deren männliche Tänzer ihre Zuschauer mit ihrem kraftstrotzenden Tanzstil und ihrer Gestik zu sexuellen Akten einladen. Las man dann noch, dass Jocson zur besten Pole-Tänzerin im Land gekürt worden war, schien alles zu stimmen: „Macho Dancer“ war so macho und ihr Tanz in tarnfarbenen Hotpants oder Lederslip durfte so sexy sein, weil Südostasien zwar Traditionstanz, einige klassische Ballette und viele klassische Tänzerinnen haben mag, der selbsttragende Asia-Tanz sich aber in Bars und Gogos abspielt.
Natürlich ist das Quatsch. Teilweise.
Die Sache fängt damit an, dass Jocson, wie sie uns vor Jahren sagte, ihren wahren Hintergrund im Kunststudium an der Uni und im Ballett hat. Mit Poledance fing sie als Fitness-Hobby an. Dann wurde das Hobby zum Trend und wuchs sich für sie zum Broterwerb mit reizvollem Stigma aus, worauf sie die Poledance-Akademie draufsattelte.
Pure Kunst hat es in ihrer Heimat schwer; der einzige kleine Staatsfonds hat sich den Ruf als korrupt und konservativ redlich verdient. Jocsons Perspektive aber bleibt die der Kunst und des Kunsttanzes, obwohl ihr Material (Tanzstil, Musik, Kostüm, Nacktheit, keckes Umhängekreuz, Laufsteg) pheromonschwer mit Freud’scher Vorlust lockt und als Aufhänger dient, um die Körperpolitik der Dienstleistungs- und Unterhaltungsindustrie von und mit Philippinern und Philippinerinnen sozioökonomisch zu reflektieren.
Als Zwitter verführen
Wenn schon Gogo, heißt das, dann als Pflicht für den weiblichen Körper, der sich das Männliche antut und uns als Zwitter verführt und verblüfft. Das seltsame Paradox exzessiver Männlichkeit zwecks homosexueller Prostitution bleibt da von zusätzlichem Belang, weil Jocsons doppelte List (dem realen Macho Dance die Form zu stehlen und ihn so dem Gendergedanken zu unterwerfen) sowohl exploitativ-sinnlich als auch als Kunsttanz gefällt. Ohnehin sind dem Westen vergleichbare Ambivalenzen nicht fremd. Man denke nur an Fernand Braudels großes Mittelmeer-Werk und was es zur Mittelmeerkultur sagt, die nur den passiv Homosexuellen verachte. Sex schlägt Logik.
Jocsons „Macho Dancer“ 2023 ist same-same: genauso wie und anders als „Macho Dancer“ 2013. Warum? Weil die Tanzkünstlerin ihrem 45-Minüter mit seinem Soundtrack von Metallica und Bonnie Tyler bis zum Schwulengott George Michael und Asia-Schmachtfetzen sechzig Minuten Vortrag mit Spiel- und Tanzproben nachschickt. „Corponomy“ führt per Laptop am Tisch und Videowand durch Stationen ihrer Arbeit und stellt ihren Videoclip für Peaches („How Do You Like My Cut?“) ebenso vor wie ihr in und für Japan choreografiertes Stück „Host“, das Japans „künstliche“ Weiblichkeit und die Situation philippinischer Tänzer und Tänzerinnen thematisiert, die diesen Bedarf dort decken helfen. Spannender Abend.