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Eine Geisterhand schlägt die Tasten an

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Von: Bernhard Uske

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Klaviermusik für Lochstreifen und mit dem beeindruckenden Pianisten Kit Armstrong in der Alten Oper Frankfurt.

Das Gastspiel des Ensemble Resonanz aus Hamburg bei den Bachkonzerten bescherte im Großen Saal der Alten Oper in Frankfurt ein ungewöhnliches Programm, das aus Werken Johann Sebastian Bachs, Conlon Nancarrows und György Ligetis bestand. Kit Armstrong war der Solist sowohl auf dem Cembalo (beim 5. Brandenburgischen Konzert) als auch auf dem Bechstein-Fügel (beim d-Moll-Konzert BWV 1052 und bei Ligetis Konzert für Klavier und Orchester). Derweil einem weiteren Flügel, der Marke Bösendorfer, zweimal eine Lochstreifenrolle eingelegt wurde, worauf er als pianistischer Autopilot die hypertrophen Stanzungen des 1997 verstorbenen US-Amerikaners Conlon Nancarrow abspielte. Dazwischen erklangen zudem Werke des englischen Renaissance-Komponisten William Byrd.

Motorik schien das Leitmotiv zu sein. Und Assoziationen zwischen ratternder – sei es neu-sachlicher sei es originalklangbewegter – Musikantendarstellung Bachs und Ligetis später minimal-konzertanter Kreation sowie der verzwirbelten Stichel-Polyphonie aus Amerika waren nicht ganz abwegig.

Ligetis im Jahr 1986 entstandenes fünfsätziges Konzert nimmt Bezug auf afrikanische Metrik, die in ein traditionelles europäisches Solo-Konzertformat gesteckt ist. Ein Wechselbalg von Formaten, die kein eigenes Ganzes geworden sind. Im Gegensatz zu Conlon Nancarrows Vielstimmen-Tüfteleien, die alles an rekordverdächtiger Tönehäufung aus dem pianistischen Automaten herausholen. Ein Zauber, der kalt lässt, denn zur mitreißenden Hingabe fehlt die leibgebundene Verausgabung. Zumal dem Anschlags-Furor von Geisterhand keine entsprechende harmonische Übersteigerung folgte.

So waren die zwischen den „Studies for Player Piano“ gespielten Adaptionen von Chorälen und Songs bei Byrd die Gewinner: berückende, variantenreiche Atmosphären.

Mit dem Brandenburgischen Konzert hatte der beeindruckende, 26-jährige Pianist Pech, denn die von Bach oft wie ein soprano continuo geführte Solo-Stimme war bei der für kleinere Ensembles ungünstigen Podiumsakustik nicht viel mehr als ein sich durch alles hindurch schlängelndes Silberfädchen. Dafür war sein Part im d-Moll-Konzert auf dem viel zu selten zu hörenden Bechstein-Instrument mit seinem dunkleren und runderen Timbre gegenüber dem Tutti zu laut und zu groß. Manche Bach’sche Raffinesse im quintenzirkeligen Mäander seiner Modulationskünste blieb auf das Klavier fokussiert.

Die Hamburger Neue- und Alte-Musik-Könner glänzten trotz allem und wurden bei Ligeti von dem phänomenalen, 35-jährigen Johannes Fischer dirigiert.

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