„Ein Fisch wird nur so groß wie sein Aquarium“ in Wiesbaden – Exklusiver Gugelhupf

„Ein Fisch wird nur so groß wie sein Aquarium“: Ein Abend über Gerechtigkeit mit dem Jungen Staatstheater Wiesbaden.
Lustig, sich von einigen Fischen anstarren zu lassen, es kommt einem auch fair vor. Bekanntlich ist es sonst umgekehrt. Die Fische haben sich noch nicht dazu bekannt, Fische zu sein, hinten ist aber eine Art Aquarium zu sehen, alle Schlüsselwörter kommen schon im Titel des Stücks vor, und wir sind auch nicht von gestern. Die Fische starren erst ganz unauffällig und machen jeweils einen Menschen im Publikum nach. Frech. Dann geben sie zu, dass sie Fische sind und schlüpfen oder tauchen ins Becken. Einer findet zuerst keine Lücke im unsichtbaren und ehrlich gesagt auch nicht vorhandenen Glas.
Fische? Oder doch Hühner?
„Ein Fisch wird nur so groß wie sein Aquarium“ ist von der ersten Sekunde an auch ein Spiel mit dem Theater-Sein – paar Leutchen verblüffen, andere schauen zu. Es ist auch ein Spiel mit dem Fisch-Sein, auch wenn ein Schwarm Menschen immer an einen Hühnerhaufen erinnert, sei’s drum. Hinterm Theater und den Fischen geht es aber um eine große Sache. Regisseurin Hannah Biedermann, die die 70 Minuten mit dem Ensemble entwickelt hat, lenkt den Blick auf Fragen der Chancengleichheit, die ein jugendliches Publikum noch betroffener machen werden als die, die eh schon alt ist.
„Ein Fisch ...“ ist der Eigenbeitrag des Jungen Schauspiels zum Programm der „Jungen Maifestspiele“ am Staatstheater Wiesbaden. Irrlichternd wie die schöne Beleuchtung des von Mascha Mihoa Bischoff auf die Wartburg-Bühne gebauten Aquariums springen die Anregungen um die Truppe und uns herum. Von den unterschiedlichen Quadratmeterzahlen, die Menschen in unterschiedlichen Wiesbadener Stadtteilen zur Verfügung stehen, bis zu O-Tönen, betroffenen, resignierten, bornierten. Ipek Bayraktar (seinen Vornamen teilen sich vorerst alle, viele kleine Ipeks, ja, hier geht es eher um Ipeks als um Paulas), Vera Hannah Schmidtke, Sophie Pompe, Patric Neves Lindström und Johannes Christopher Maier toben durch den Saal, schweifen ab, probieren wieder etwas ganz anderes. Theaterlust liegt im Raum, die aber das Unbehagen nicht übertönt. Während Stimmen aus dem Off erklären, viele Menschen seien halt einfach faul, sieht man, wie einer der Fische mit monströs verbreiterten und verlängerten Armen versucht, ein Stück Gugelhupf zu essen. Es wird nicht gelingen. Er solle sich hier nicht selbst zum Opfer machen, raunzt einer.
Ganz am Ende noch ein paar Fragen ans Publikum. An was man glaubt. An was man nicht mehr glaubt. Das bringt einige in eine Verlegenheit, auf die man gerade nach dieser Stunde gut verzichten könnte. Es kommen aber auch Antworten. Der eine glaubt an Allah und die andere an Gerechtigkeit, der eine glaubt nicht mehr an die Fifa und die andere glaubt nicht mehr an Gerechtigkeit. Letzteres ist nach „Ein Fisch ...“ besonders einleuchtend.
Staatstheater Wiesbaden, Wartburg: 17., 21., 22. Mai. www.staatstheater-wiesbaden.de