„Die Kehrseite der Medaille“ in der Komödie: Zweiter Frühling

Gutes Timing: Florian Zellers „Die Kehrseite der Medaille“ in der Frankfurter Komödie.
Florian Zellers Vier-Personen-Stück „L’envers du décor“, in der Übersetzung von Annette und Paul Bäcker „Die Kehrseite der Medaille“, ist so tadellos gebaut und auf den Punkt getimt, ist ein so perfektes Komödienrädchen, dass es auch ein Ensemble braucht, das auf den Punkt spielt. Das bekommt es nun in Frankfurts Komödie (wo es im Gegensatz zum Rémond Theater weitergehen wird, aber halt ihrem Namen entsprechend), wo Regisseur Pascal Breuer auch fürs regelmäßige slapstickhafte Durchbrechen der vierten Wand eine feine Form gefunden hat: das Licht wechselt, wer gerade nicht zum Publikum spricht, friert mitten in der Bewegung ein, wer gerade aus dem Bühnenrahmen fällt, tritt vom Teppich runter oder hüpft an den Seiten raus.
Kompliziert? Nicht, wenn man es sieht. Die Inszenierung saugt zusätzlichen Honig daraus, wenn sich etwa Daniel, Timothy Peach, erst wieder Emmas, also Felicitas Hadziks Hand aufs Knie legen muss, ehe es weitergehen kann mit allen Vieren und im Text. Ein bisschen dick aufgetragen ist das nur – aber Peach und Martin Armknecht als Patrick machen es gut –, wenn die beiden konkurrierenden Freunde den Alpha-Gorilla geben müssen.
Gorilla? Die Geschichte schöpft in der Tat aus einem männlichen Verhalten, das Homo sapiens von seinen Vorfahren übernommen und seitdem vererbt haben soll: das Weitergeben der eigenen Gene an möglichst viele und möglichst junge Weibchen. Heute auch zweiter Frühling genannt.
Schauspielerin, na ja
Patrick war mal Daniels bester Freund, bis er sich zugunsten von Emma (circa 25 Jahre jünger) von Laurence getrennt hat, die wiederum Isabelles beste Freundin ist. Über Laurence wird im Stück nur gesprochen, Nicola Tiggeler ist die elegante, scharfäugige Uni-Professorin Isabelle. Wir befinden uns im Pariser Intellektuellenmilieu und Großbürgertum (entsprechend auch das Wohnzimmer von Ausstatterin Monika Maria Cleres), Daniel ist Verlagslektor, Patrick scheint Arzt zu sein. Nur Emma fällt halt raus: Barfrau und, na ja, Schauspielerin. Die schon ein paarmal vorgesprochen hat.
Daniel und Patrick treffen sich auf der Straße, Daniel lädt Patrick ein, natürlich wird Emma mitkommen. Und Isabelle wird wütend sein, das ist ihrem Mann schnell klar (wie er dem Publikum erklärt, er tritt als erster durch die vierte Wand). Aber siehe da, die beiden Frauen kratzen sich nicht wie befürchtet die Augen aus, Isabelle findet Emma sogar „charmant“. Dafür beneidet Daniel Patrick sogleich um Emma, diese „Frühlingsbrise“. Wie sie riecht. Wie toll sie in diesem Kleid aussieht (das fast das gleiche ist wie von seiner Frau Isabelle, klar). Und welche Farbe wohl ihr Schamhaar hat. Mehrfach fällt das Wort „Frischfleisch“.
Ab und zu wird der Humor arg grob in „Die Kehrseite der Medaille“ – was dieses Stück gar nicht nötig hätte. Aber zur Frage führt: sind Männer so schlimm, muss es Florian Zeller schließlich wissen? Kann sein.
Die Komödie, Frankfurt: bis 2. Juli. www.diekomoedie.de