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„Die Hochzeit des Figaro“ in Schwetzingen: Ach, tanzen wir doch lieber einen Tango

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Von: Judith von Sternburg

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Die Hochzeit des Figaro
„Die Hochzeit des Figaro“ in Schwetzingen: Seunghee Kho als Gräfin Almaviva isst gerade die Hochzeitstorte auf. © Christian Kleiner

„Die Hochzeit des Figaro“ im Schlosstheater Schwetzingen setzt den Mannheimer und Prager Da-Ponte-Zyklus fort – und ist so hübsch wie banal.

Das Rokokotheater im Schloss von Schwetzingen, eines der Ausweichquartiere des in Großsanierung befindlichen Nationaltheaters Mannheim, ist ein perfekter Ort für „Figaros Hochzeit“. Es kommt einem gleich ganz fremd und merkwürdig vor, dass Mozarts Oper wegen des großen Erfolges und klassischen Rufes sonst in die möglichst riesigen Säle muss. Hier wirkt alles kammerspielhaft, wie es dieser mitten aus dem Leben der Menschen gegriffenen Geschichte entspricht. Salvatore Percacciolo führt das Orchester dazu noch schlank und mit dem angenehmen Paradox einer luftigen Punktgenauigkeit, die Stimmen haben Raum und nutzen ihn für Nuancen und die unmittelbare Übertragung gewitzter Worte in schönen Klang.

Die Produktion gehört zu einem dreiteiligen Austauschprogramm mit dem Prager Nationaltheater, bei dem Mozarts drei Opern auf Libretti von Lorenzo Da Ponte neu in Szene gesetzt werden. In Schwetzingen war Tatjana Gürbacas „Così fan tutte“ im vergangenen Jahr der Auftakt, Barbora Horákovás „Hochzeit des Figaros“ ist jetzt das Mittelstück, „Don Giovanni“ kommt noch.

Zwei quirlige Abende bisher und doch ganz unterschiedlich. Horákovás Lesart ist bei aller Munterkeit ein Paradebeispiel dafür, wie man intensiv und engagiert an der Oberfläche bleiben kann. So jung und spielfreudig das Ensemble, so allerliebst die Ausstattung, so peppig die Belebung der Rezitative durch Bettina Ostermeier, die auf der Bühne mit Akkordeon, Saxofon oder vom Keyboard aus gelegentlich übernimmt, was gut zu Erik García Álvarez am ebenfalls „modernen“ Hammerklavier passt. So flott das alles also ist, so kratzt es kaum am oberen Lack einer Oper, nach der man auf die Barrikaden gehen muss. Oder sich verlieben. Oder verzweifeln. Oder zum Philosophen werden, oder zur Philosophin.

Sieht aber schön aus. Falko Herold arbeitet mit lustigen Bühnenobjekten, am enormsten die Hochzeitstorte, über die die unglückliche Gräfin im Zuge einer Fressattacke bereits hergefallen ist. Es gibt Mobiliar und Türen, die Wände dazu werden pfiffig reinprojiziert. Notfalls kann Susanna, die nicht auf den Kopf gefallen ist, durch die nicht vorhandene Wand greifen, um eine Tür von der anderen Seite aufzuschließen. Jetzt fragen Sie, warum sie dann nicht einfach drumherum geht. Dazu passt, dass es zunehmend psychedelisch wird. Nebel wabern, man konsumiert Pilze, die zum finalen langgestreckten Gartengewimmel bäumchengroß auf der Bühne wachsen. Es ist aber Edelweihnachtsmärchen und keine Figaro-Deutung.

Die Rezitative aufzulockern, ist kein Nachteil, wenngleich gelegentlich eine Verlängerung derselben, die auch nicht erforderlich wäre. Geschmeidig wird jedenfalls zwischen Einschüben und Original moduliert. Ein Fehltritt hingegen doch die Idee, einen fremden Schlager nicht nur anzutupfen, sondern regelrecht durchspielen zu lassen: Cherubino und Barbarina bieten den Rolling-Stones-Titel „Paint It Black“ auf Italienisch und zur E-Gitarre. Dies geschieht ausgerechnet vor Barbarinas Nadel-Arie, als ob etwas Fades an ihr wäre, das der Abhilfe bedürfte. Rebecca Blanz singt sie fein, aber mit einem Ach-Menno-Gebaren, das diesem mysteriösen Solitär noch rasch den Rest von Zauber nimmt.

Es leicht zu nehmen, muss nicht banal sein, aber es kann. Verrückt angesichts der fantasievollen Bilder und des quicken Spiels. Ilya Lapich ist der smarte Graf Almaviva, der in Immobilien macht – darum kann man sich vorerst in aufklappbaren Hauskisten verstecken – und eher ein Kumpel von Figaro, Marcel Brunner, ist. Bariton Lapich und der hell timbrierte Bass Brunner sind auch stimmlich geschwisterlich. Sie bilden ein starkes Quartett mit Amelia Scicolone als reizender Susanna mit silbrigem und Seunghee Kho als Gräfin mit fülligem, für das Melancholische geeignetem Sopran. Cherubino Shachar Lavi ist ein etwas nöliger Grufti (Kostüme: Nicole von Graevenitz). Horáková und Herold zeigen aber trotzdem mal ein paar Kriegsvideos, als er zu den Soldaten soll.

Nationaltheater Mannheim im Schlosstheater Schwetzingen: 2., 4., 9., 11. März. www.nationaltheater-mannheim.de

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