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„Die Eroberung von Mexico“ in Mainz: Vom Sphärischen zum Staubsauger

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Von: Bernhard Uske

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Nadja Stefanoff in „Die Eroberung von Mexico“, jetzt am Staatstheater Mainz zu sehen. Foto: Andreas Etter
Nadja Stefanoff in „Die Eroberung von Mexico“, jetzt am Staatstheater Mainz zu sehen. © Andreas Etter

Wolfgang Rihms „Die Eroberung von Mexico“ am Staatstheater Mainz hinterlässt einen gemischten Eindruck.

Es ist eines seiner bekanntesten Werke und eine der meistgespielten zeitgenössischen Opern: Wolfgang Rihms zweistündige „Die Eroberung von Mexico“ uraufgeführt 1992. Jetzt, im Großen Haus des Staatstheaters Mainz, war es die 13. Inszenierung, Regie führte Elisabeth Stöppler.

Ein Werk, dessen Titel einen leicht auf die falsche Fährte bringen kann und besonders heute, in Zeiten postkolonialer Schuldkultur. Der Komponist hatte schon bei der Hamburger Uraufführung Einhalt geboten, „wo die Guten mit irgend spezifischen Bösen gerungen hätten ... klirrenden Klangs, botschaftsreich, dramaturgisch geschürzt“. Der Verweis auf das Libretto, dessen titelgebende Textgrundlage von Antonin Artaud ebenso stammt wie die des hier ebenfalls virulenten „Seraphimtheaters“, macht zudem klar: Artauds völlige Naivität gegenüber dem aztekischen Ausbeuterstaat, der die Völker seiner Umgebung knechtete und zu Zeiten der spanischen Eroberung bereits ein Failed State auch in seinem naturalen Raubbau war.

Zugleich dokumentiert sich Artauds Faszination für die magische Azteken-Kultur, deren astrologische Disposition mit ihrem Geheimwissen im Kontrast zum verhassten rationalen Wissen steht. Montezuma-Artaud, das war ein Topos, der dem Bannkreis europider Zweckhaftigkeit entronnen war. Und Cortez-Montezuma, das war der Kampf um esoterische Ressourcen, die sich Futurismus und Surrealismus ersehnten.

In Mainz hatte man den exzentrischen Ort des Zusammenpralls trefflich gewählt, indem man das Publikum auf der Bühne platzierte unter dem bis zum Dach aufgerissenen Schnürboden – um den Kampf- und Schauplatz der Weltsichten gruppiert. Anfänglich als Käfig eines riesigen vergitterten Zylinders, in dessen Mitte ein kraterübersäter, ausgeglühter Himmelskörper ruht, auf dem verhüllt Montezuma – bei Rihm eine „Hosenrolle“, statuarisch und blendend gesungen von Nadja Stefanoff – stand.

Cortez und Montezuma hatten je zwei vokale Satelliten – einmal vertierte Männlichkeit als hyänenhafte Halbmenschen (sehr gut Falko Hönisch und Frederic Mörth), zum anderen zwei Sängerinnen, die mit ihren Vokalisen die Welt des Sphärischen, aber auch die des Schreis artikulierten (grandios Maren Schwier und Karina Repova).

War die erste Hälfte trotz der sexistischen Hyänen-Flachheit gut balanciert zwischen Text und Szene, verlor der zweite Teil mit allgefälliger Zivilisationskritik an Spannung. Zwischen Waschmaschinen, Wasserkochern, Bettgestellen und Staubsaugern wirkten die Artaudschen Sätze nurmehr geschwollen und klangen nach sauerkitschiger Bedeutungshuberei. Dass der Atem, die Atemstöße, der Schrei und seine Reflexion für die Welterfahrung des Ganz-Anderen und seines inneren Kontinents essentiell ist, blieb auf der Strecke. Die Kraft im Knochengefängnis, das Öffnen der Quellen einer pneumatischen Existenz, das sich im enger werdenden Bezug Cortez-Montezuma zeigt, ging im für Mainz so oft typischen goldigen Elend zugrunde. Die fast lärmige Präsenz des musikalischen Klangkörpers vor Ort, den sich Rihm als über den gesamten Raum gespannt dachte als eine Art schwingenden Artaud-Avatar, konnte da wenig ausrichten. Der Kampfplatz mit seiner haushalterischen Unordnung und spannungslosen Unbedarftheit war unbrauchbar geworden.

Peter Felix Bauer, der den Cortez sang, hatte zuletzt große Auftritte und war in der Ambivalenz von Angezogensein und herrschsüchtiger Gier vortrefflich. Stimmlich ging er bis zum Äußersten. Und beglaubigte die Spannung, die dem Eroberer widerfuhr. Hermann Bäumer dirigierte das Philharmonische Orchester mit starker Betonung der rhythmischen Partien.

Das zentrale Element des Atems als eine instrumentale Existenzform des „in den Schrei Kommens“ (Artaud) blieb unterbelichtet. Ebenso die zahllosen sono-somatischen Impulse Rihms, die das eigentliche Drama der „Eroberung“ sind.

Staatstheater Mainz: 5., 26. Februar, 7. März. www.staatstheater-mainz.com

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