1. Startseite
  2. Kultur
  3. Theater

„Der kleine Horrorladen“ in Mainz – Wenn sie doch hungrig ist

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Judith von Sternburg

Kommentare

Audrey Zwo (r.), hier mit Seymour (Vincent Doddema), macht durchaus deutlich, was ihr Begehr ist. Foto: Andreas Etter
Audrey Zwo (r.), hier mit Seymour (Vincent Doddema), macht durchaus deutlich, was ihr Begehr ist. Foto: Andreas Etter © Andreas Etter

Audrey I und Audrey II sind wieder allerliebst im Musical „Der kleine Horrorladen“ am Staatstheater Mainz.

Wenn sich die Musicals im Laufe des Lebens schon ständig wiederholen müssen, dann soll es wenigstens möglichst häufig „Der kleine Horrorladen“ sein. „Der kleine Horrorladen“ von Howard Ashman und Alan Menken, berühmt geworden durch den Film, aber auch auf den Bühnen allgegenwärtig, lebt wie jedes Musical, das auf sich hält, nicht zuletzt von Wiedererkennungseffekten. Aber in der Mitte lagert und lockt die vermutlich außerirdische Pflanze Audrey II. Man kann sich an Audrey Zwo nicht sattsehen, auch in Mainz nicht, wo Erik Raskopf sie entworfen und Benjamin Bartenstein sie gebaut hat. Sie ist wieder so niedlich, bis sie gar nicht mehr niedlich ist und sich anschickt, die Menschheit zu verschlingen.

Um sie herum baut das Staatstheater den Durchgeknalltesten unter den Musicalklassikern in perfekter Manier: gut gesungen, gut gespielt, gut beleuchtet, sehr effektvoll, sehr „Kleiner Horrorladen“-mäßig.

Neben dem vertrauten kruden Humor – der sadistische Zahnarzt, der unter grausigen Umständen ums Leben kommt und dann von Audrey II als erste, aber nicht letzte Person komplett aufgegessen wird – lässt sich Regisseur Christian Brey von Situationskomik leiten. Stundenlang könnte man dabei zusehen, wie die possierliche Pflanze nach Seymours blutendem Finger schnappt, während sie sich für den nicht blutenden Finger ostentativ nicht interessiert. Seymour, von dem Schauspieler Vincent Doddema überzeugend als Tropf und Mörder aus Ratlosigkeit und Liebe präsentiert, ist nicht der hellste und schnellste, er braucht eine Weile, um den Zusammenhang zu erfassen.

Älterwerden mit Mr. Mushnik

Die Frau seiner Träume, die Original-Audrey, ist Maike Elena Schmidt, auch sie gehört zum Schauspielensemble und läuft stimmlich zu großer Musicalform auf. Holger Kraft spielt den raunzigen, aber vor allem einfach abgearbeiteten Blumenhändler Mr. Mushnik, der einem früher so alt und uninteressant vorkam. Heute ist er einem die realistischste und sympathischste Figur. Klaus Köhler und Henner Momann sind und singen im fliegenden Wechsel alle anderen, dazu gibt es noch ein fesches Damengesangstrio (Beatrice Reece, Jamie-Lee Uzoh und Stefanie Köhm), das mit Gesang und Tanz – die Choreografien sind von Kati Farkas – Glamour und Lebensfreude in die auch in Mainz finstere Skid Row und die dort herrschenden prekären Verhältnisse bringt. Anette Hachmann (Bühne) und Elisa Limberg (Kostüme) haben die Umgebung detailreich ausgestattet, es gibt viel zu sehen. Seymours Pullunder ist so drüber, dass er schon wieder Begehrlichkeiten wecken kann.

Menkens Musik ist etwas bizarrer als der Musicalschnitt, im Graben bringt Tobias Cosler mit einer fünfköpfigen Combo auch tüchtig Schwung hinein. Das Publikum in der besuchten zweiten Vorstellung ist bereits aufgedreht, bevor irgendetwas passiert ist, nachher ist die Stimmung riesig.

Staatstheater Mainz: 31. März, 9., 22. April. www.staatstheater-mainz.com

Auch interessant

Kommentare