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„Dea Ex Machina“ von Swoosh Lieu: Alchimistenspaß und Hexenzauber

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Von: Marcus Hladek

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Hexengebräu mit Swoosh Lieu.
Hexengebräu mit Swoosh Lieu. © Charlotte Bösling

Swoosh Lieu mit dem Stück „Dea Ex Machina“ im Frankfurt LAB.

Dass „Hamlet“, das Stück vom Ur-Individuum, Gespenster aus dem Fegefeuer kennt und Isaac Newton auch ein Alchimist war, der den Stein der Weisen suchte, dass der Trickzauberer John Dee die große Elisabeth beriet und Calvin außer pestverbreitenden Hexen einen gut abgehangenen häretischen Arzt verbrennen ließ, kann heute bekannt sein.

In „Dea Ex Machina“, der jüngsten Uraufführung der queerfeministischen Gruppe Swoosh Lieu im Frankfurt-LAB, ist hiervon zwar indirekt, aber massiv die Rede. Denn Johanna Castell, Katharina Pelosi, Rosa Wernecke und ihr Team spielen mit den Grundlagen des „Haecksens“ und der Renaissance-Magie.

Das rollende Schwein

Da Swoosh Lieu stets mit der Technik starten, sehen ihre Bühnen und sieht die Spielfläche von „Dea Ex Machina“ futuristisch aus. Statt narrationsfreundlicher Sichtachsen herrscht ein schaltplanartiges Nebeneinander unter Lichtkegeln. Bunte Wasserkästen konkurrieren um Aufmerksamkeit mit einem sprechenden Cyborgbaum voller Plasmakugeln, einem ferngesteuert rollenden Transportschwein und schwebenden Monitoren zwischen Bildgabe und weißem Rauschen. Kabel werden wie Weihnachtsbäume gehängt und mit der Bühnen-Platine verdrahtet. Stimmen kommen aus dem Nichts. Arbeitstische für bunten Alchimistenspaß mit chemischen Kolben oder elektronischen Bauteilen werden per Livekamera und Bildverfremdung zu Eigenwelten, worin der Mensch als Größenmaß keine Rolle spielt – nicht mal die beiden Performerinnen. Kurz: eine Welt der Naturwissenschaft und Technophilie.

Andererseits ist da die feministisch inspirierte Identifikation mit den „Haecksen“ als Urmüttern, die mit dem Körper immer Bescheid wussten. Erster Satz zum Stück: „Welcher Körper wollen wir sein?“ Drei Sätze später: „Wir wollen Hexen sein – sagen Swoosh Lieu.“

Hätte „Dea Ex Machina“ nur das eine Verdienst, feministisches Diskurschinesisch in sinnlich-intellektuell anregende Bühnenkunst verhext zu haben, wäre das bereits beachtlich. Es fallen aber auch Sätze, denen man aus 500 Jahren Abstand noch die Verwandtschaft mit den von Frances Yates und der Warburg-Schule gepushten Renaissance-Magi (Marsilio Ficino, Pico della Mirandola, Giordano Bruno, der Hermetismus) anhört, etwa über Sprache als zauberisches Eingreifen in die Welt. All das lebt bis heute in Nischen und Subkulturen fort.

Zu erleben, wie sich der als Gegen-Wissen zum Patriarchat positiv gewendete Hexenglaube via Feminismus in eine Performance schleicht, ist aufschlussreich. Da steht die „Gebärix“, die von einem Mann (Aldous Huxley) erdachte Gebärmutter-Maschine, jäh in hexischer Tradition, da sie den lästigen Familienvater spart und solch ein „Beutel“ von Abtreibungskniffen weiser Frauen und alternativen Lebensformen zeugt. Auf Feminesisch: „Haecksen verstehen Geschlecht als Technologie und forschen an dessen Umcodierung“ zu „queerfeministischen Verwandtschaftskonzepten“.

Nach dem Hacker-Code kommt die Decodierungs-Haeckse, und der Heteromann wird womöglich im Haecksler entsorgt – wie in „Fargo“. Was als Bühnenvision von Swoosh Lieu diebischen Spaß macht.

www.politikimfreientheater.de

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