Bruno Beltrão „New Creation“: Der ruhige Fluss der Moves

„New Creation“ von Bruno Beltrão und Grupo de Rua im Frankfurt-LAB
Der Weg des brasilianischen Choreografen Bruno Beltrão weist auffällige Besonderheiten auf. Zum Beispiel gründeten er und ein Freund die Grupo de Rua, die immer noch seine Arbeiten produziert, als Beltrão kaum sechzehn war. Das war 1996 in Niterói bei Rio de Janeiro. Was als Break- und Streetdance-Gruppe begann, sprengte nach und nach das Denken in HipHop-Kategorien, vor allem seit Beltrão mit 20 sein Tanzstudium an der Uni Rio aufnahm. In seiner Vision vom Tanz setzte er zusehends darauf, die Urbanität des HipHop Dance mit Techniken zeitgenössischen Tanzes und Konzepttheater zu verschmelzen, um abstrakte Tanzlandschaften zu kreieren. Ins Auge sticht auch, dass, so intensiv Beltrão tourt, „New Creation“, sein neues Auftragswerk für den Mousonturm, das Produktionshäuser-Bündnis und die Tanzplattform, erst das neunte Stück in zwanzig Jahren ist. Das macht jedes Werk zur ausgereiften Setzung.
„New Creation“, sofern der Titel endgültig ist, dauert unter sechzig Minuten. Es geht in einer Technik kurzer, lichtdefinierter Cuts (Renato Machado) sehr variabel los, was in der großen nackten Frankfurt-LAB-Halle mit seitlich verhängten Wänden, Scheinwerfern beidseits plus sparsam eingesetzter Videowand im Hintereck links oben ungeheuer schick wirkt (Bühne: Anderson Dias), bevor der Schlaglicht-Rhythmus längeren Szenen und Sequenzen weicht.
Die Kostüme (Marcelo Sommer) der acht Tänzer und zwei Tänzerinnen (Camila Dias, Silvia Kamyla) sind so vielförmig wie das Licht: ein schwarzes Langgewand erinnert an eine Soutane, was zum Gebaren des fraglichen Tänzers passt; andere weite Gewänder haben etwas von Kaftanen oder einem weiten Mantel, wieder andere von einer Clowns- oder Kochjacke mit großen Knöpfen. Eine der Frauen kommt im roten Hosenkleid daher und die andere, energische Kleine in Schwarz mit knielangem Rock, kurzen Socken und Sportschuhen, womit sie betont kraftvoll anmutet. Es entsteht der ausgeprägte Eindruck, dass die Einzeltänzer persönliche Stilvorlieben zuspitzen sollten und genau das mit Fleiß tun.
Als die Zeitung „LA Times“ 2010 Beltrãos „H3“ begrüßte, zählte sie sorgsam die Headspins, denn die seien für HipHop so kennzeichnend, dabei beeindruckend und bizarr wie die Pirouetten im Ballett. Sie kam auf genau: einen. Ähnlich sparsam greifen die Tänzer in „New Creation“ auf akrobatische HipHop-Elemente wie Handstände und ein rares „Battle“-Feeling zurück, auch wenn das Grundgefühl urbaner Energetisierung und kraftvoller Körperlichkeit nie verlorengeht.
Häufiger ist der ruhige Fluss der Moves, eine minimalistische Bildlichkeit der Figur im Raum à la Beckett oder das rhythmische Schreiben in Körpern und abstrakter E-Musik (fern von Latin Flair: Lucas Marcier) wie so oft im zeitgenössischen Tanz. Schön, dass die mehrfach Covid-verschleppte Uraufführung, gefördert vom Bund und unterstützt vom Goethe-Institut, doch noch stattfinden konnte. Ein neues Hauptwerk für Bruno Beltrãos Liste.
Frankfurt LAB: 20. April. www.mousonturm.de