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Birgitta Linde und Sabine Fischmann: „#Me Too Medusa“ – Gibt Schlimmeres, als ein Schlangenhaupt zu haben

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Von: Sylvia Staude

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Medusa haut im Stalburg-Theater auf die Trommeln. Foto: Petra Bruder
Medusa haut im Stalburg-Theater auf die Trommeln. Foto: Petra Bruder © Petra Bruder

„#Me Too Medusa“, ein wutflammender Abend von Birgitta Linde und mit Sabine Fischmann.

Der Titel ist eine – wie man in der Frankfurter Stalburg schnell feststellen kann – wahrheitsgemäße Ankündigung, gleichzeitig so etwas wie eine Triggerwarnung: „#Me Too Medusa. Ein feministischer Wutausbruch“. Regisseurin Birgitta Linde, die auch für das Skript verantwortlich zeichnet, und die Alleskönnerin Sabine Fischmann bringen tatsächlich ein (mit Pause) gut zweistündiges, kein Blatt vor den Mund nehmendes, vor Wut loderndes Programm auf die Bühne. Schumann mit Boxhandschuh-Klavierspiel, Schlagzeug mit Barbiepuppen, Lesung eines strunzdumm sexistischen Textes von Ikke Hüftgold – zuletzt dürfen alle im kleinen Frankfurter Theater aufstehen und mitklatschen bei „I’m a Survivor“, ein Frauentrotzlied, das bekannt wurde durch Destiny’s Child.

Auf der schmalen Bühne des Stalburg-Theaters ein Flügel, ein Schlagzeug; Sabine Fischmann setzt sich auf den Flügel, strickt (mit Drumsticks) und beginnt mit der Geschichte von Medusa. Der gab Athene die Schuld daran, dass Poseidon sie im Tempel, auf dem Altar vergewaltigte. Neudeutsch heißt das Täter-Opfer-Umkehr: warum ist sie auch so hübsch, warum hat sie sich nicht anders angezogen, warum hat sie nicht entschieden genug nein gesagt … hat sie sich denn nicht gewehrt? Und schließlich: Poseidon ist ein Mann, was will man da machen. Der schönen jungen Frau brachte Athenes Fluch das berühmte Medusenhaupt ein, dessen Anblick Männer zu Stein erstarren ließ – es gibt Schlimmeres, als wenn Männer bewegungsunfähig sind, findet Sabine Fischmann.

Birgitta Lindes Medusa-Text erspart dem Publikum nicht die Details der Vergewaltigung, den Schmerz, das Blut, den Ekel, das Erbrechen. Dann die Vorwürfe, die Medusa gemacht werden und nicht etwa Poseidon, der sich wie Donald Trump als das Opfer einer „Hexenjagd“ sieht. Und dann kommt auch noch ein alberner Halbgott, Perseus, und schlägt Medusa den Kopf ab. Da muss Sabine Fischbach sich am Schlagzeug abreagieren; ihr Lehrer für das kräftige Solo war Anselm Wild.

Nach der Pause eine Mischung aus Musiknummern und erneut knochenhartem Text, unter anderem einer Aufzählung vieler realer Fälle, in denen Männer ihre Partnerinnen ermordeten, übertöteten. Sabine Fischmann dabei in allen (Musik-)Stilen, von Tom Jones’ „Delilah“ (die Titelfigur lacht, dafür muss nach Meinung ihres Liebhabers sterben), über Falcos „Jeanny“ (die Titelfigur wird gestalkt, kann sein, dass sie auch ermordet wird), über Roland Kaisers „Warum hast du nicht nein gesagt“ (selbsterklärend) bis zu „Leck Sibbi“ des Rappers Nimo (selbsterklärend, wenn man weiß, dass „Sibbi“ Penis heißt und der Aufforderung das Wort Bitch folgt).

Sabine Fischmann haut in die Tasten, drischt aufs Schlagzeug ein, röhrt und rappt, stopft sich Papier in den Mund, deklamiert. Nichts ist lauwarm in „#Me Too Medusa“, nichts an Fakten und Furor wird dem weiblichen wie natürlich auch dem männlichen Publikum geschenkt. Er strengt an, dieser Abend, aber er befeuert auch die eigene Wut. Was nicht verkehrt ist, wenn frau anschließend durch eine erstaunlich dunkle, wohl Energie sparende Stadt laufen muss.

Stalburg Theater, Frankfurt: 12., 26. Mai. stalburg.de

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