Tatort im Ersten: Verfahrene Lage in Saarbrücken

Der Tatort „Die Kälte der Erde“: Einmal im Jahr kommt die Geschichte von Schürk und Hölzer einen Zentimeter voran. Es ist wieder so weit.
Frankfurt – Es entbehrt nicht der Ironie, dass ausgerechnet der einmal im Jahr ausgestrahlte Saarbrücker Tatort sich auf eine mitlaufende Krimihandlung aus dem Leben der beiden Ermittler und Jugendfreunde kapriziert hat.
Ganz am Anfang, 2020, begriff man, dass Hölzer einst mit gutem Grund Schürks brutalen Vater zu Fall brachte. Der Vater lag seither im Koma und regte sich ausgerechnet am Ende der Folge, konnte aber gleichwohl erst ein Jahr später aus dem Krankenhaus entlassen werden. Im Zuge einer besonders verwickelten Geschichte geriet der Vater nun in Lebensgefahr durch einen noch viel schlimmeren und vor allem verrückteren Verbrecher. Ausgerechnet Schürk und Hölzer mussten ihn retten, während sie ja ihrerseits befürchteten, der Vater könnte der Polizei, also natürlich anderen Leuten von der Polizei, erzählen, was damals geschehen war. Zwölf Monate mussten sie zittern, bis der Vater sich umständlich das Leben nahm und dabei den Sohn noch einmal voll reinritt. Schürk konnte sich nicht nur rehabilitieren, sondern fand am Ende der Folge auch noch einen Topf voller Gold, der nun wieder ein Jahr später eine Rolle spielen wird.
Tatort „Die Kälte der Erde“ am Sonntag im ARD: Neue Herausforderungen für das Saarbrücker Team
Während man jetzt noch versucht, wieder zu rekapitulieren, wer wer ist – der blonde Schürk, Daniel Sträßer, der brünette Hölzer, Vladimir Burlakov, und ihre Kolleginnen, die blonde Heinrich, Ines Marie Westernströer, die brünette Baumann, Brigitte Urhausen – und wie sie zueinander stehen – geht so –, hebt erneut ein Fall an, in dem manches miteinander zusammenhängt. Das liegt aber am diesmal von Melanie Waelde geschriebenen Drehbuch, nicht an der überschaubaren Größe der Stadt, der der schönste Satz des Films gewidmet ist. Der Kommissar sagt zum Verdächtigen, und er sagt es mit ehrlichem Staunen in der Stimme: „Sie haben sich verfahren? Hier in Saarbrücken?“
Wer weiß, vielleicht ist es dem raren Umstand zu verdanken, dass zur Drehbuchautorin eine Regisseurin, Kerstin Polte, und eine Kamerafrau, Christiane Buchmann, kamen. Jedenfalls ist die mit Abstand interessanteste Figur in „Die Kälte der Erde“ eine sehr robuste und verheerend schlagkräftige Frau mit blauen Haaren.
Alina heißt sie, Bineta Hansen spielt sie, und so nah kommt eine Frauen- selten an eine herkömmliche Schlägerfigur heran. Der Krimi verliert sich dabei nicht in psychologischen Erklärungen. Sicher lebt sie in prekären Verhältnissen und treibt sich mit den falschen Leuten rum. Aber vor allem ist Alina, die sie ist.
Rolle | Darsteller:in |
---|---|
Leo Hölzer | Vladimir Burlakov |
Adam Schürk | Daniel Sträßer |
Esther Baumann | Brigitte Urhausen |
Pia Heinrich | Ines Marie Westernströer |
Alina Barthel | Bineta Hansen |
Bastian Barthel | Lorris Andre Blazejewski |
Tatort in Saarbrücken: Krimi mit herausfordernden gesellschaftlichen Themen
Der Tote ist ein Hooligan namens Andi, der schwerverletzt gerade noch ins Krankenhaus wanken konnte. Dort trifft er – das muss dann doch die Größe der Stadt sein – ausgerechnet auf den Arzt, Till Butterbach, der zusammen mit seinem Mann, Alexander Prince Osei, die Tochter von Andies Ex Alina adoptieren möchte. Bei dieser nicht alltäglichen Konstellation zuckt das Saarbrücker Kommissariat nicht mit der Wimper, das wirkt zwar eine Spur künstlich, ist aber wunderschön.
Der Hooligan Andi, nicht die hellste Kerze auf der Torte, glaubt, er sei der Vater, und will die Adoption verhindern. Das macht den Arzt irgendwie verdächtig, aber erneut auf eine unwahrscheinlich umständliche Art. Auch sonst sind etliche Rechnungen offen. Ein Finsterling und Sexist, Tamer Tahan, hat bei einer üblen Aktion einmal ein Auge verloren. Alinas Bruder, Lorris Andre Blazejewski, geht zum Lachen in den Keller. Die Wirtin des Fanlokals, Ursula Berlinghof, ist voll nett auf jene besonders dubiose Art. Und so weiter.
Während die einen ins Stadion gehen, treffen sich die anderen zum „Ackermatch“. Saarbrücker gegen (böse) Lauterer. Ermittlerin Baumann, bisher vorschriftentreu, ist selbst Fußballfan, wie sich zeigt, auch sie ist also nun verwickelt und befangen. Offene Rechnungen und geschlossene Gesellschaften sind das Thema in „Die Kälte der Erde“. Nicht nur Schürk und Hölzer wurschteln an ihren Geheimnissen herum. Unter den Hooligans herrschen strenge Schweigegebote, ohne dass die Lächerlichkeit von Ehrbegriffen unter Schlägern und Schlägerinnen vertieft oder verteufelt würde.
„Tatort: Die Kälte der Erde“
Sonntag, 29. Januar, 20.15 Uhr, ARD
Tatort in Saarbrücken: Ein Ende mit Wendung
Der Tatort kommt stattdessen nur für Momente aus der offensichtlichen Konstruiertheit heraus, die man doch im Krimi auf keinen Fall bemerken will. Einen Faustkampf wie den zwischen Alina und Schürk aber sieht man nicht alle Tage. Ferner werden Finger abgesägt, und es klärt sich nicht bis ins Letzte, ob das ein Unfall war. Und als Begründung für ein Verbrechen ist der Satz „Er hat halt einfach genervt wie Scheiße“ schon relativ herb und bodenständig. Trotzdem und obwohl schönster beneidenswerter Sommer herrscht, hält sich das Atmosphärische, für das der Boden an sich bereitet ist, in Grenzen.
Am Ende auch in diesem Jahr noch eine kleine Wendung. Die Kommissare gucken sich daraufhin böse an. 2024 werden wir mehr darüber erfahren. (Judith von Sternburg)