Es sollte wirklich etwas geschehen

Am Donnerstag und Freitag befasst sich die Rundfunkkommission mit der Zukunft von ARD, ZDF und Deutschlandfunk.
Es muss etwas geschehen. Darin sind sich alle einig. Und es sollte etwas geschehen, wenn jetzt am 19. und 20. Oktober die Rundfunkkommission der Länder tagt. Das ist das Gremium, in dem die Ministerpräsidenten (eher: ihre Vertreter) über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland beraten. „Zukunft“ bedeutet hier zunächst: Um wieviel sollen die Gebühren von nun 17,50 Euro steigen, die jeder deutsche Haushalt entrichten muss für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖR). Deshalb sollen die Vertreter der Länder ebenfalls darüber beraten, wie die Strukturen des ÖR zu verändern seien. Was die Kommission entscheidet, dem müssen dann die Länderparlamente zustimmen. Und weil nicht nur politisch bewegte Zeiten herrschen, ist die Nervosität groß in der öffentlichen Debatte um die Zukunft von ARD, ZDF und Deutschlandfunk. Das äußerte sich zunächst in Polemik.
Auf dem Jahreskongress des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger wetterte der Chef des Springer Verlags und Vorsitzende des Verbandes, Mathias Döpfner, gegen eine „gebührenfinanzierte digitale Staats-Presse“ der Sender, die den Verlagen das Leben schwer mache. Das sei Wettbewerbsverzerrung, dagegen müsse die Politik einschreiten, denn wenn ARD und ZDF ihr Textangebot im Internet ausweiteten, gäbe es bald „nur Staatsfernsehen und Staatspresse im Netz – das wäre eher etwas nach dem Geschmack von Nordkorea.“ Im Interview mit der FAZ legte er nach und forderte, dass deren „presseähnliche Angebote generell untersagt werden“.
Auftrag und Struktur neu definieren
Bald darauf bekam der Springer-Chef Schützenhilfe von der Konkurrenz aus der eigenen Branche. „Der Spiegel“ widmete am 7. Oktober seine Titelgeschichte „Die unheimliche Macht“ nicht etwa den Klingonen, sondern ARD und ZDF. Das konnte der Text selbst zwar nicht belegen, doch stellte die Redaktion ein Stück ihres Chef-Polemikers Jan Fleischhauer dazu: „Vorsicht, Staatsfunk!“ Und schon schlugen die Wellen hoch, inklusive einer ungewöhnlich prompt verfassten Replik der ARD unter dem Titel „Zerrspiegel“.
Öffentlich in die Diskussion hat sich auch Rainer Robra, CDU-Medienminister in Sachsen-Anhalt eingemischt mit der Forderung, die ARD in der jetzigen Form abzuschaffen (FR 17.10.). Stattdessen soll sie zum „Schaufenster der Regionen“ degradiert und das ZDF zum „nationalen Player“ befördert werden. Die Mainzer könnten dann Spielfilme senden, und die ARD-Tagesschau wäre „überflüssig“.
Robra ist übrigens Mitglied im Fernsehrat des ZDF. Postwendend meldete sich Karola Wille, MDR-Intendantin und derzeit ARD-Vorsitzende, und erklärte sachlich, die „Tagesschau“ sei die erfolgreichste deutsche Nachrichtensendung und „ein Garant für den aus den Regionen gespeisten freien bundesweiten Diskurs“.
Unter all diesen Vorzeichen werden die Medien-Experten der Länder also in den kommenden zwei Tagen versuchen, Auftrag und Struktur des Rundfunks in Deutschland neu zu definieren. Die ARD hat dazu einen Bericht an die Länder verfasst, in dem die „Chancen der Digitalisierung“, die Einsparungen und strukturelle Reformen angerissen werden. Die Anstalten wollen sich dabei zu einem „crossmedialen und strukturell föderalen Medienverbund“ entwickeln. Und sie wollen insgesamt rund 951 Millionen Euro einsparen – allerdings bis 2028. Taktvoll verschwiegen wird dabei, dass sie bis dahin etwa 80 Milliarden (pro Jahr knapp acht Milliarden) an Gebühren bekommen – vorausgesetzt, die Abgabe pro Haushalt wird nicht erhöht.
Doch genau das wollen die Anstalten, und ebenso maßgebliche Stimmen wie etwa Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Landeschefin im Saarland. Denn die „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) habe die Notwendigkeit einer Erhöhung festgestellt, sagte sie der FAZ. Doch gibt es bislang nur eine entsprechende Prognose der KEF, deren Chef Heinz Fischer-Heidlberger nicht an „Beitragsstabilität“ glaubt und von einer Gebühr zwischen 18,50 und gut 19 Euro ab 2021 ausgeht. Entscheiden aber müssen die Ministerpräsidenten. Und ob die das riskieren, angesichts der steifen Brise, die den ÖR entgegenweht? Deshalb waren findige ARD-Finanzjongleure schon auf die Idee gekommen, die Gebühren automatisch jährlich entsprechend der Teuerungsrate anzupassen.
Diese Debatten befeuern immer wieder die Kritik am „Staatsfunk“, noch verschärft von den Krakeelern, die bei AfD- und Pegida-Aufmärschen immer wieder „Lügenpresse“ brüllen. Vor diesem Hintergrund erweist sich einiges an der Breitseite des „Spiegel“ gegen ARD und ZDF als problematisch, etwa der Bezug auf die schrillen Töne in sozialen Medien. Und wie formuliert Jan Fleischhauer: „Wer von einer Gebühr abhängt, die wie eine Steuer erhoben wird, hat ganz schlechte Karten, wenn er auf Staatsferne pocht“. Aber auch Kultureinrichtungen werden vom Staat subventioniert, ohne dass von „Staatsmuseen“ die polemische Rede ist, und wer (außer den Rechtsextremen der AfD) hätte was am „Staatstheater“ auszusetzen?
Mehr Transparenz gefordert
Die von der FAZ nach wie vor „Zwangsgebühr“ benannte Abgabe ersetzte vor Jahren die Arbeit der GEZ-Mitarbeiter. Problematischer sind die von den ÖR standhaft geleugneten Verbindungen zur Politik, etwa in Gremien wie dem ZDF-Fernsehrat, der von zwei Gruppierungen dominiert wird, den „roten“ und den „schwarzen“ Freundeskreisen. Mehr Transparenz lautet eine Forderung an ARD und ZDF. Zwar musste auf höchstrichterlichen Beschluss die Zahl der Politiker in solchen Kommissionen begrenzt werden, doch nach wie vor sind die Vertreter der Öffentlichkeit überwiegend parteipolitisch gefärbt.
Politischer Einfluss kommt in den Selbstdarstellungen der Sender nicht vor. Im Gegenteil: Annegret Kramp-Karrenbauer glaubt, „dass wir Medien haben, die frei sind von wirtschaftlichen Interessen oder von einer politischen Steuerung in die eine oder andere Richtung“. Während die Verlage ihre Positionen kenntlich machen, formuliert die ARD in ihrem Bericht, es brauche „mehr denn je eine gemeinwohlorientierte Institution“ wie sie, die alle Menschen mit einem publizistischen Angebot versorge, „auf das sie vertrauen können und das Orientierung bietet“. Hehre Worte, die sich am Programm messen lassen müssen und sich dort nicht immer wiederfinden.
Gewiss, sie bringen vieles, sie haben das (etwas untergegangene) Jugendangebot „funk“ auf die Beine gestellt, sie zeigen „Weissensee“ oder einen gelungenen „Tatort“ und demnächst Hans Christian Schmids außergewöhnliche Serie „Das Verschwinden“, aber sie haben im Hauptabendprogramm den Eskapismus (vor allem mittels Sport) zum Programmprinzip erhoben und schieben die wichtigen Dokumentarfilme in die Nacht.
Da sollte wirklich etwas geschehen.