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Wer soll das alles hören?

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Gehört die Zukunft der Medien den Amateuren? Viele Vordenker im Netz sind dieser Meinung. Für sie sind Blogs nur die Vorhut der Jedermann-Publizistik. Mit Podcasts, also selbstproduzierten Radio-"Sendungen" zum Abonnieren und Mitnehmen, sowie Vlogs, hausgemachten Video-Produktionen, stehen die nächsten beiden Stufen der Medienrevolution angeblich kurz vor der Zündung.

Von MARIO SIXTUS

Gehört die Zukunft der Medien den Amateuren? Viele Vordenker im Netz sind dieser Meinung. Für sie sind Blogs nur die Vorhut der Jedermann-Publizistik. Mit Podcasts, also selbstproduzierten Radio-"Sendungen" zum Abonnieren und Mitnehmen, sowie Vlogs, hausgemachten Video-Produktionen, stehen die nächsten beiden Stufen der Medienrevolution angeblich kurz vor der Zündung.

Johnny Haeusler (spreeblick.com) ist skeptisch und verweist auf eine grundlegende Problematik, die jeder Kinobesucher kennt: "Ich weiß erst nach dem Konsum, ob es gut war oder ob ich gerade kostbare Zeit verschwendet habe." Texte könne man überfliegen, bei Hörproduktionen sei man den Tempovorgaben der Macher ausgeliefert. Das gleiche gelte für Videos.

"Wenn nun tatsächlich Hunderttausende von Menschen anfangen, Radio und Fernsehen zu machen, wer wird sich das alles ansehen?", fragt Haeusler und gibt sich selbst die Antwort: "Niemand." Seine düstere Prognose: "Wenn die Privaten erst richtig begonnen haben, ihre Archive in kleine Häppchen zu zerlegen, um sie zum 17. Mal in willige und gierige Passivglotzer-Schlünde zu stopfen, wird kein Platz mehr für Alternativen bleiben. Internet killed the Videostar? Mitnichten. Stattdessen wird die Massenverdummungsdroge Nummer eins, das Fernsehen, endlich mobil. Der feuchte Traum der Medienhäuser wird mit iPod und Handy endlich wahr, und gebaut, getestet und finanziert hat das alles der Konsument selbst. Perfekt." In den Kommentaren versucht Thomas Wanhoff, selbst leidenschaftlicher Podcaster, die Maßstäbe zurechtzurücken. "Wer heute 200 Abrufer hat, erreicht mehr Leute als bisher in seinem Leben", schreibt er und findet: "Das ist doch tolle Kommunikation." Auch Tim Pritlove (tim.geekheim.de) vom Chaos Computer Club hält dagegen. Das "Wer soll das alles hören"-Argument beeindruckt ihn nicht: "Genauso könnte man auch über Weblogs schreiben: Wer soll das alles lesen? Und wenn ich es vergleiche, muss ich feststellen: Für den Nicht-Turbo-Webuser ist eine Stunde Hören deutlich einfacher als eine Stunde Lesen. Allein schon, weil man es unterwegs oder während der Tätigkeiten im Eigenheim tun kann."

Pritlove verweist darauf, wie jung dieses Mediengenre noch ist: "Podcasts als neuartige Kunstform, die vom Radio und Fernsehen abstammt, ist noch viel zu frisch, um abschließend bewertet zu werden." Er glaubt: "So wie Blogs heute die Textvorlagen für die Journalisten liefern, werden Video-Podcaster sicherlich bald die Vorlagen für das TV liefern."

Berichtigung

Ein Vorwurf vieler Blogger gegenüber Massenmedien lautet: Journalisten korrigieren ihre Fehler nicht, sondern verschweigen sie lieber. Diese Anschuldigung lassen wir für uns nicht gelten und gestehen ein: Wir haben uns vertan. Vor zwei Woche hieß es an dieser Stelle, die Präsidentin des Landessozialgerichts Bremen habe offenbar Verständnisprobleme, was die Strukturen des Internets angeht, und daher einen bösen Brief an einen Blogger geschickt. Wir räumen ein, bisweilen Verständnisprobleme mit den Strukturen juristischer Körperschaften zu haben und korrigieren: Es handelte sich nicht um die Präsidentin des Landessozialgerichts Bremen-Niedersachsen, sondern um die Direktorin des Sozialgerichts Bremen. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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