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Die Schule des Lebens

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Jonas (Christian Ulmen) und die verehrte Musiklehrerin.
Jonas (Christian Ulmen) und die verehrte Musiklehrerin. © delphi

Lustig und glaubwürdig: Der semidokumentarische Film „Jonas“ macht einen verjüngten Christian Ulmen wieder zum Zehntklässler. Gedreht wurde in einer echten Schule in Zeuthen, südöstlich von Berlin.

Von Cornelia Geißler

Jugendliche werden diesen Film anders sehen als Länger-schon-Erwachsene. „Jonas“ spielt in einem Milieu, das den Einen aus täglicher Anschauung vertraut ist. Die Anderen sind ihm entwachsen. Für sie wird das Wiedersehen vielleicht mit Wehmut ob der verflogenen Jahre verbunden sein, oft auch mit Erleichterung. Denn der Film wurde in einer Schule gedreht.

In der ersten Szene hält Jonas mit dem Auto an einer Imbissbude, kauft sich eine Currywurst und fragt nach dem Weg zur Schule. Er ist der Neue für die Klasse 10/1 und kommt gleich zu spät. Er hat eben keinen Bock auf Schule, doch dies ist seine letzte Chance auf einen ordentlichen Abschluss.

Er ist älter als seine Mitschüler, das ist klar. Wie viel älter er wirklich ist, weiß jeder Kinogänger. Denn Jonas ist der Schauspieler Christian Ulmen, der täglich jung rasiert und geschminkt wurde. In der Gesamtschule „Paul Dessau“ in Zeuthen bei Berlin kann man sehen, wie die Schüler und Lehrer um ihn herum und mit ihm agieren.

Der Regisseur Robert Wilde sieht „Jonas“ als Dokumentarfilm an, weil er eine Kunstfigur in der Realität beobachtet. Das Drehbuch wurde durch die Schulroutine bestimmt und während der Dreharbeiten weiterentwickelt.

Die Kamera sieht die Lehrer durch Jonas’ Augen und zeigt ihn selbst im Unterricht. Der Film macht die Anstrengung der Lehrer, einen Haufen Halbwüchsiger täglich zu motivieren, sichtbar. Auch dadurch, dass Jonas nicht nur einmal nach der Stunde nach vorn geht und sich für den Unterricht bedankt.

Eine Lehrerin lockt er in die Kirche und befragt sie zum Thema Glauben. Einem Lehrer widerspricht er, als dieser sagt, man lerne für einen anständigen Beruf, damit man mal in die Rentenkassen einzahlen könne. Ob denn nicht auch das Lernen selbst Freude machen solle, fragt Jonas.

So wie man den Fremden nicht privat erlebt, folgt die Kamera den Jugendlichen auch nicht in deren Freizeit. Nur einmal erzählt ein ehemaliger Schüler vom Treffpunkt am Freitagabend auf dem Parkplatz am Getränkemarkt. Jonas geht hin. Die Atmosphäre erinnert an den Film „Footloose“, nur dass hier nicht getanzt wird. Die Jugendlichen stehen in Gruppen herum, trinken Alkohol. Aber sie sind verwirrend anders als die aus den Nachrichten. „Wenn du nicht mehr willst, hör auf“, sagen die freundlichen Mittrinker. Komasaufen gibt es hier nicht.

Ansteckend gute Laune

Dieser Film macht gute Laune. Zuerst natürlich, weil Jonas so gute Laune hat. Sein zunächst geäußerter Widerwillen verfliegt schnell. Zwar trägt er eher Loseblattsammlungen als Hefter mit sich herum, zwar sträubt sich in ihm alles gegen das Rechnen mit Logarithmen oder gegen das Auflösen von Gleichungen mit mehreren Unbekannten, und auch den Sportunterricht nutzt er lieber zum Quatschen als zur Körperertüchtigung, doch Jonas ist der Schule gegenüber erfrischend positiv eingestellt.

Dazu trägt auch die Band bei, die er mit anderen auf die Beine stellt. Das Lied „Was hat dich bloß so ruiniert“ der Hamburger Band Die Sterne zieht sich wie ein roter Faden durch den Film. Es wirkt zugleich als ständiger Kontrast zum überwiegend freundlichen Klima an der Schule.

Jonas sucht das vertrauensvolle Gespräch mit dem Direktor, will von ihm nicht nur über seine Chancen informiert werden, sondern auch wissen, ob er verheiratet sei und ob er je Probleme hatte, weil er einen Pferdeschwanz trägt. Vor allem versucht er sich bei der Musiklehrerin einzukratzen, für die er sich von Anfang an begeistert.

Authentische Welterklärungsmodelle

Die Regie hat sehr umsichtig gearbeitet. Es gelingen Einblicke in den Schulalltag, die so wirken, als fühlten sich die Akteure unbeobachtet. So spürt man die Anspannung während der Mathearbeit und verfolgt gebannt die Meinungsverschiedenheiten um Welterklärungsmodelle mit der Lehrerin für Politische Bildung.

Und wenn Jonas mit Mitschülern spricht, antworten die meist unbefangen. Christian Ulmen wirkt wirklich wie ein Schüler. Dafür sei unbedingt der Maskenbildner Michael Thevenet gepriesen, doch auch Ulmen selbst. Wie müde und desinteressiert er gucken kann! Wie er verständnislos den Kopf schräg legt, wenn der Lehrer in Rätseln spricht! Wie er über den Schulhof schlurft! Da macht er spielend 18 Jahre Abstand wett.

„Schule ist nicht schön“, singt Helge Schneider am Ende. Nein, schön ist Schule nicht immer, aber auch nicht wirklich schlimm, an manchen Tagen sogar lustig. Der Film baut eine Brücke zwischen ihr und dem Rest der Gesellschaft.

Jonas Dtl. 2011. Regie: Robert Wilde, 106 Minuten, Farbe, FSK ab 6.

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