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Rettung vor dem Schrottplatz

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Von: Joachim Wille

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Wer wird denn gleich den ganzen Computer wegwerfen?
Wer wird denn gleich den ganzen Computer wegwerfen? © imago stock&people

Wer noch einen Computer mit Windows XP von Microsoft hat, muss diesen nicht unbedingt entsorgen. Die Rettung für Nutzer, die ältere Computer haben und diese nicht verschrotten oder technisch aufrüsten wollen, heißt Linux.

Die Angst geht um. Noch immer nutzen Millionen Deutsche Computer, auf denen das betagte Microsoft-Betriebssystem Windows XP läuft. Seit dem 8. April bietet Microsoft keine Sicherheits-Updates mehr für die Software, die 2001 in der ersten Version auf den Markt kam. Das heißt, der XP-Nutzer surft inmitten von Viren, Würmern und Schadprogrammen, die immer leichter Zugang zu seinem PC bekommen können. Wer weiter sicher ins Internet will, muss umsteigen. Etwa auf die aktuellen Betriebssysteme Windows 7 oder Windows 8, die von Microsoft weiter unterstützt werden – oder er wechselt auf die kostenlose freie Software Linux.

Linux ist für Nutzer, die ältere Computer haben und diese nicht verschrotten oder technisch aufrüsten wollen, sogar die einzige Rettung – es sei denn, sie verzichten künftig darauf, mit ihrem Gerät ins Internet zu gehen, und nutzen es nur noch als bessere Schreibmaschine. Das Problem ist nämlich: Bei vielen der älteren PC reicht die Rechenleistung nicht aus, um mit Windows 7 oder 8 zu arbeiten. Sie brauchen mindestens zwei Gigabyte Arbeitsspeicher und entsprechend schnelle Prozessoren.

Ein Umstieg auf Linux kann viele Alt-PC vor dem Elektroschrott retten. Die freie Software braucht in den gängigen Versionen Ubuntu, Linux Mint oder OpenSUSE ein Gigabyte Arbeitsspeicher, und Debian benötigt 512 Megabyte (MB), also etwa ein Viertel von Windows 7 und 8. Es gibt sogar eine Art „Linux light“, das nur 256 MB braucht: Lubuntu. Alle Linux-Versionen haben denselben Kern und meist dieselben Programme, unterscheiden sich jedoch durch die grafische Benutzeroberfläche, die unterschiedlich aufwendig gestaltet ist. Die aktuellen Versionen „14.04 LTS“ von Ubuntu und Lubuntu werden noch bis 2019 mit Updates versorgt, danach kann man – ebenso automatisch über die Update-Funktion – auf eine neue Version umsteigen.

Die Alt-PC können also noch mindestens fünf Jahre weiter laufen. Genaue Zahlen, wie viele PC und Laptops so vor der Verschrottung gerettet werden können, gibt es nicht. Es dürften aber nicht wenige sein. Laut einer Studie der US-Beratungsfirma „Net Applications“ lief 2013 weltweit noch auf weit mehr als jedem dritten Rechner Windows XP, in Deutschland wurde die Zahl der XP-Rechner zuletzt auf acht Millionen geschätzt.

Experte empfiehlt Lubuntu

Verdient gemacht um die „Rettung“ der Alt-PC hat sich besonders der Münchner Stadtverband der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP). IT-Spezialisten, die in der Öko-Partei aktiv sind, haben eine Anleitung („Linux-Installation als Ersatz für Windows XP“) geschrieben, die auch vom Computer-Halblaien ohne Fachwissen verstanden wird (linux.oedp-muenchen.de). ÖDP-Experte Martin Kraus empfiehlt die Linux-Version Lubuntu, weil sich diese ähnlich wie Windows XP bedienen lässt. In der Anleitung finden sich Links, mit denen sich die Nutzer Linux selbst herunterladen und dann mit einem Brennprogramm eine bootfähige CD oder DVD erstellen können.

Wem das zu kompliziert ist, der kann sich bei der ÖDP auch eine fertige CD gegen Einsendung von 1,90 Euro Porto bestellen. Adresse: ÖDP, Straßberger Straße 16, 80809 München.

Die Neuinstallation von Lubuntu dauert ein bis zwei Stunden. Enthalten sind bei Linux bereits ein Browser wie Firefox, ein Office-Programm, Gerätetreiber, DSL- und WLAN-Unterstützung sowie andere Software. Die meisten allgemein verbreiteten Dateiformate öffnen sich auch unter Linux mit einem passenden Programm, spezielle Windows-Programme allerdings gibt es oft nicht in einer Linux-Version. Diese kann man jedoch meist zusammen mit dem Programm Wine installieren, das eine Windows-Umgebung für diese Programme nachbildet. Apples Musik-Software iTunes bekommt man beispielsweise so zum Laufen.

Weniger Mühe als ein Umstieg auf die modernen Windows-Systeme macht der Wechsel zu Linux allerdings nicht. Auch hier muss man vor der Neuinstallation alle Dateien auf einer externen Festplatte sichern, damit sie nicht verloren gehen. Und auch viele bisher genutzte Programme, zum Beispiel den Media-Player VLC, muss man sich danach neu herunterladen.

ÖDP-Mann Kraus, der als System-Administrator arbeitet, betont ausdrücklich, er sei „keineswegs ein Microsoft-Hasser“. Allerdings spreche nicht nur die Elektroschrott-Vermeidung für Linux. Er hält es für wichtig, dass sich auf dem Markt der Betriebssysteme und Office-Programme Alternativen zum „Quasi-Monopol“ der Software-Firma aus Redmond etablierten. „Wir wollen ja auch keinen Automarkt, auf dem man praktisch nur Volkswagen kaufen kann“, sagt Kraus.

Linux sei inzwischen eher leichter zu bedienen als beispielsweise Windows 8 mit seiner ungewohnten Kacheloberfläche. Als weiteren Vorteil sieht Kraus, dass bei dem Open-Source-Programm der Quellcode des Systems offen einsehbar ist. Geheime Spähprogramme, wie sie etwa vom US-Geheimdienst NSA eingeschleust wurden, seien da viel leichter aufzudecken und zu verhindern.

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