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Post vom Werbe-Guru

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Eine gängige Definition von "Netz" lautet: Viele Löcher, die miteinander verbunden sind. Das Internet ist alles andere als dicht: Informationen fließen dort

Von MARIO SIXTUS

Eine gängige Definition von "Netz" lautet: Viele Löcher, die miteinander verbunden sind. Das Internet ist alles andere als dicht: Informationen fließen dort gerne in Kanäle, für die sie nicht gedacht waren. So sickerte nun eine E-Mail ins deutsche Blogdorf, die Werbe-Guru Jean-Remy von Matt verfasst hat. Jens Scholz veröffentlichte das Traktat, das der Mitinitiator der umstrittenen "Du bist Deutschland"-Kampagne wohl nur für einen internen Verteiler verfasst hatte.

Seine Mutter habe ihm beigebracht, dass man sich für Geschenke bedankt, "selbst, wenn man damit nichts anfangen kann", greint darin der Berufskommunikator. "Du bist Deutschland" sei "ein riesiges Geschenk" gewesen. Doch weh und ach: Die Deutschen wollen das nicht begreifen. Gegen die Miesepetrigkeit wollte man angehen, was sei der Dank: Miesepetrigkeit.

Als besonders undankbar hat von Matt die eigenen Kollegen ausgemacht, die es doch wagten, in Branchenblättern den stimmungsmachenden Feldzug öffentlich "nutzlos" zu finden. Natürlich käme sehr viel schlechte Stimmung auch "von den Weblogs, den Klowänden des Internets".

Der Reklameproduzent will wissen: "Was berechtigt eigentlich jeden Computerbesitzer, ungefragt seine Meinung abzusondern?" Der bloggende Anwalt Udo Vetter hat die Antwort parat: Artikel fünf Grundgesetz, der jedem Bürger das Recht gibt, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.

Irritiert über den Empfänger

Björn Ognibeni glaubt, von Matts Äußerungen sei ein Indiz für ein grundsätzliches Problem der Werbebranche: "Dort ist man klare Strukturen gewöhnt. Top-down-Kommunikation. Ich Sender - Du Empfänger. Wenn dann der Empfänger plötzlich zum ersten Mal den Mund aufmacht und zurücksendet, führt das schnell zu Irritationen. Darf der das?" Ognibeni ist sicher: "Könnte Jean-Remy von Matt mal für einen Augenblick seine verletzte Eitelkeit beiseite schieben, dann würde er sehen, dass auch die Kritiker viel Zeit, Herzblut und auch Kreativität in ihre Kritik gesteckt haben."

Werbeblogger Patrick Breitenbach antwortet in einem offenen Brief: "Sie reden von Höflichkeit und von Erziehung. Gute Erziehung, bei der man lächelnd Geschenke annimmt, die einem gar nicht gefallen. Ich sehe darin allerdings einen Akt der Lüge. Unklare und unwahre Kommunikation. Immer schön schlucken und sich nicht wehren oder gar zucken."

Klowand hin, Klowand her: Einen besonderen Bezug zu sanitären Einrichtungen scheint der Schweizer Werbefachmann ohnehin zu besitzen. PR-Blogger Klaus Eck zitiert aus einem alten Interview, in dem Jean-Remy von Matt gesteht: "Auf der Toilette habe ich immer die besten Ideen. Ich habe mir zwar vorgenommen, dies nicht mehr zu erzählen, weil es mir ein Lebensmittelkunde nie verzieh, als ich öffentlich sagte, die Idee für seine Werbung hatte ich auf dem WC."

Vielleicht ist die Gleichsetzung persönlicher Publikationen mit den umgrenzenden Mauern eines derart kreativen Örtchens ja gar nicht böse gemeint? Viele Blogger haben jedenfalls sichtlich Spaß daran und entfalten einen Einfallsreichtum, an dem jeder Werber seine helle Freude haben sollte. Der Weblogdienst Blogg.de hat eigens ein neues Portal dafür gebastelt. Dort erscheinen die neuesten deutschen Blogbeiträge vor dem Hintergrund eines gekachelten Abortes. Die Adresse: Klowaende.de.

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