Kritik zum München-Tatort „Hackl“: Der Hackl und der Dackel

„Hackl“ ist ein finsterer und sich dann noch weiter verfinsternder Münchner Tatort. Am Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD.
„Hackl“ ist ein finsterer Tatort, noch finsterer, als zunächst anzunehmen ist. Denn Hackl reimt sich auf Dackel, und auch ein Dackel kommt vor, ein Dackel namens Ludwig, und man muss ihn einfach mögen. Außer dem Dackel kommt auch Joshua Kimmich vor, in einer Cameo-Rolle als Fitness-Kenny. Kalli, Ferdinand Hofer, trifft ihn bei seinen Recherchen zum Fall, es fällt Kenny nicht schwer, ihn von seinen XXL-Gesundheitsdrinks zu überzeugen. Nachher ist Kalli zu sehen, wie er auf dem Kommissariat mehr oder minder heimlich Kennys Fitnesstraining absolviert.
Dies geschieht alles ganz beiläufig – eine Spezialität des Münchner Tatorts, hübsche Einfälle nicht ausstellen zu müssen. Es ist einfach, wie es ist, und Kalli vermutlich nicht einmal halb so alt wie die beiden Hauptkommissare. Jemand wie Fitness-Kenny und etwas wie Fitness interessiert ihn. Batic und Leitmayr, Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl, interessiert beides weniger. Ist das ein Klischee? Ist es nicht eher: ausgezeichnet beobachtet?
Tatort aus München: Querulant Hackl ist der Polizei bereits bekannt
Überhaupt haben Dagmar Gabler (Buch) und Katharina Bischof (Regie) genau hingeschaut. Sie spielen mit den Erwartungen des Publikums, nicht nur in einem kriminalistischen Sinne. Sie spielen mit den Erwartungen des Publikums, was die gesellschaftlichen Gegebenheiten und was die Gegebenheiten in einem Tatort betrifft (was oft, aber nicht immer das gleiche ist). Nicht übel.
Übel natürlich der Todesfall, ein ganz junger, anscheinend supernetter Mann, der mit dem Motorrad verunglückt ist, weil ihn ein Laserstrahl irritiert hat. Der Strahl kann von Gott weiß, was für einem Balkon in einem der Mietblöcke am Hasenbergl gekommen sein, keine exklusive Gegend oder vielleicht gerade eine exklusive Gegend. Jedenfalls gehört einer der Balkons zur Wohnung eines Mannes namens Johannes Bonifaz Hackl. Außerhalb von Bayern ein lustiger Name. Bei der Münchner Kripo lächelt keiner.
Bonifaz Hackl ist dem Amte wohlbekannt, als Querulant und Leitmayr-in-den-Finger-Beißer, ein Grobian auf der Lauer und immer kurz vor der Explosion. Seine Festnahme erfolgt auch diesmal stürmisch, später überrumpelt er die Polizei mit brachialer Gewalt. Man ist da selbst längst verunsichert, ob man einen mit Fischinnereien um sich werfenden Wutbürger oder nicht doch einen klinischen Fall vor sich hat. Später ist man dann nicht mehr unsicher.
Der Münchner Tatort „Hackl“ schockiert – Die Ermittler müssen aufholen
Gabler und Bischof zeigen zunehmend einen Menschen, der in die Enge gedrängt wird. Der Verlauf ist schockierend, auch die Polizei ist schockiert. Als es zum Äußersten kommt, sieht man Leitmayrs entsetzten Blick. Eine großartige Rolle für Burghart Klaußner, der sonst im seriösen Fach zu Hause und kaum wiederzuerkennen ist.
Dazu ein zweiter verstörter Mann, ein Junge noch, einer, der es in der Pubertät schwer hat und von Lorenzo Germeno mit dem entsprechend gequälten Phlegma überzeugend gespielt wird. Seine Mutter, Carolin Conrad, ist Lehrerin am Hasenbergl, sie wirkt ganz patent und hat auch Mumm. Außerdem gibt es noch eine Freundin der Mutter, Hanna Scheibe. Im Leben stehende Frauen. Lange ist das die realistische Ausgangssituation, Menschen, die etwas zu viel voneinander wissen, im Guten wie im Bösen. Die Ermittler müssen erst mühsam aufholen. Auch am Hasenbergl sagt keiner etwas, das er nicht sagen muss. Nur beim Hackl sind sich alle einig, fast alle.
„Tatort: Hackl“
Sonntag, 12. März, ARD, 20.15 Uhr
Das Ende ist der Drehbuchautorin Gabler nicht unterlaufen, damit es interessanter wird. Im Vorab-PR-Statement spricht sie davon, dass ihr eine „Drift bei sozial und intellektuell eigentlich firmen Leuten“ aufgefallen sei, die „in ihrem ,privaten‘ Agieren und Fühlen gar nicht so tolerant und liberal sind, wie es den Anschein hat. Ihr eigentliches Empfinden darunter ist herrschaftlich, und ihr tägliches Agieren gemäß sozialer Erwünschtheit weicht zunehmend dem nächtlichen Gegenteil davon“. Eine spannende Beobachtung auch dies, eine unangenehme, nervende, zehrende. Ein Tatort-Ende zudem, bei dem den Kommissaren kein munteres Wort von den Lippen mag. (Juditz von Sternburg)
Der ORF-Tatort „Was für eine Welt“ aus Wien spielt zwischen Job-Ängsten und Polizeiromantik.