Zum Tod von Gordon Lightfoot: Der Melancholiker

Im Stall mit Bob Dylan: Zum Tode des großen Songwriters Gordon Lightfoot
Irgendwann war es an der Zeit, dem Mentor etwas zurückzugeben. Er liebe jeden Song von Gordon Lightfoot, hat Bob Dylan einmal über seinen kanadischen Kollegen gesagt. Und wann immer er eins seiner Lieder höre, so Dylan weiter, wünschte er, es möge niemals enden.
Nun ist der Songwriter und Sänger Gordon Lightfoot im Alter von 84 Jahren in Toronto gestorben. Nach einem Bauch-Aorten-Aneurysma im Jahre 2002 hatte er deutlich kürzertreten müssen, zwei Jahre später aber legte er mit dem Album „Harmony“ neue Aufnahmen vor und ging anschließend wieder auf eine kurze Tournee.
Lightfoot und Bob Dylan waren einander bereits in den frühen 60er Jahren begegnet, sie gehörten beide demselben Stall an, wie sie einmal bemerkten. Ihr Stallmeister war Albert Grossman, ein einflussreicher Impresario und Manager, dessen Frau Sally in einem auffällig roten Kleid auf dem Cover von Dylans Album „Bringing It All Back Home“ (1965) posierte. Unter vielen anderen Stars der frühen Pop-Jahre hatte Grossman auch Janis Joplin und das Folk-Trio Peter, Paul and Mary unter Vertrag. Für Letztere hatte Lightfoot bereits einige Songs geschrieben, ehe er dem von Bob Dylan etablierten Prinzip folgte, die eigenen Songs gleich selbst zu singen und aufzunehmen. Einer seiner frühen Hits, „Early Morning Rain“, wurde jedoch durch Elvis Presley bekannt, später nahm Bob Dylan ihn für sein Album „Self Portrait“ auf.
Gordon Lightfoots sanfte Stimme und seine vornehme Erscheinung passten nicht recht zur Pose des Aufbegehrens, mit der in den späten 60er Jahren die populäre Musik revolutioniert wurde. Melancholie und Zweifel waren die Themen seiner Lieder; in „Early Morning Rain“ wird deutlich, dass auch Alkohol keine Lösung ist, die Einsamkeit zu beheben. Viele seiner Songs sind durch die kanadischen Wälder und Flüsse inspiriert, von denen Lightfoot nicht wenige mit dem Kanu befahren hat. In den 70er Jahren bewohnte er ein Haus in der Nähe von Woodstock, und weil es zentral gelegen war, traf sich die halbe Musikwelt dort, darunter Joni Mitchell, Joan Baez, Roger McGuinn, Neil Young, Paul Simon und viele andere. Man kannte einander und machte wechselseitig Anleihen aus dem jeweiligen Repertoire.
Lightfoots Ruhm in Deutschland jedoch verlief über den Schlager-Chanson der israelischen Sängerin Daliah Lavi, „Wär ich ein Buch“, die mit der deutschen Version von „If You Could Read My Mind“ ihrerseits das Bedürfnis bediente, dem Schlager ein wenig Mehrdeutigkeit und Gefühl einzuhauchen. Welche Tiefe das häufig gecoverte Lied zu bieten hat, machte erst jene erdige Fassung von Johnny Cash deutlich, die dieser im Rahmen seiner legendären American Recordings als minimalistischen Rohling präsentierte.
In einem kurz vor der Corona-Pandemie geführten Interview war Gordon Lightfoot, sichtlich ergraut und hager, noch nicht nach einer Lebensbilanz zumute. Er hatte gerade ein neues Album abgeschlossen und Pläne für eine Tournee. Auf die Frage, welche Songs auf eine Liste für die Ewigkeit gehören, nannte er neben „If You Could Read My Mind“ auch „Carefree Highway“, „Sundown“ und „The Wreck of the Edmund Fitzgerald“, eine Ballade über eine Schiffskatastrophe. Bob Dylan hat recht, diese Lieder sollten nie verklingen.