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Zum Tod von Friedrich Cerha – Atmen und komponieren

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Von: Judith von Sternburg

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Friedrich Cerha, 2016. Am 14. Februar ist er in Wien gestorben.
Friedrich Cerha, 2016. Am 14. Februar ist er in Wien gestorben. © dpa

Der österreichische Komponist, Musiker, Lehrer und Förderer Friedrich Cerha ist 96-jährig in Wien gestorben.

Die Herkunft des musikalischen Einfalls bleibt am Ende ein Rätsel, meistens selbst dem, der ihn hat. Auch Friedrich Cerha nahm hier jenen Vergleich zur Hand, der alles und nichts sagt: „Komponieren ist für mich wie atmen.“ Dabei ist es selbstverständlich viel komplizierter, wobei auch das Atmen für den kompliziert ist, der es nicht kann. Bis ins hohe, sehr hohe Alter jedenfalls atmete und komponierte Friedrich Cerha, bis zuletzt gab es Uraufführungen, bis zuletzt mit dem großen Erfolg, den ein zeitgenössischer Komponist vielleicht in Österreich doch noch eher haben kann als in Deutschland. Wenige Tage vor seinem 97. Geburtstag ist er am Dienstag in seiner Heimatstadt Wien gestorben.

Als Komponist war Cerha der zweiten Wiener Schule, Arnold Schönberg, Alban Berg, Anton Webern, verbunden und doch ein frei denkender und arbeitender, dazu ein fleißiger Musiker. Vom Posaunensolo bis zum großen Orchesterwerk, vom Wienerlied bis zur Oper füllt sein Werkkatalog die Spannbreite der Möglichkeiten aus. Wandlungsfähig sein Personalstil – er sei kein Außenseiter, er sei unangepasst, so Cerha –, aber keine beliebig gemischte Nummer. Vom Neoklassizismus, Zwölfton- und serieller Musik fand er Anfang der 60er zu einer eigenen Klangwelt. Der Orchesterzyklus „Spiegel“ steht dafür – „Kopfmusik“, hieß es auch, aber letztlich folgte ihm das Publikum, wie es wenigen Gegenwartskomponisten folgt. Anfang der 80er war „Baal“ – bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt – seine erste Oper, weitere folgten. „Der Rattenfänger“ ist zu nennen, „Der Riese vom Steinfeld“, und beide erinnern auch sofort daran, dass neue Musik es schwer hat, selbst wenn ihr Komponist Cerha heißt.

Technisch war er ein Meister – prädestiniert dadurch für die Aufgabe, die ihn am berühmtesten machte: Bergs Fragment gebliebene „Lulu“ schrieb er aus Skizzen fertig, so dass sie ins Repertoire einziehen konnte. Gestritten wurde auch darüber, aber gestritten wird eh.

Kunst und Politik

Auch Cerhas Begabung fiel früh auf, dem Geigenunterricht folgten Kompositionen des Achtjährigen, die musikalische Ausbildung in Wien begann, aber noch vor dem Abitur sollte er 1943 eingezogen werden und desertierte. Eine berühmte Geschichte. Cerha war ein Musiker mit Haltung, der Illusion, Kunst sei unpolitisch, gab er sich erst gar nicht hin. Aber nur einmal, 1963, habe er ein Werk geschrieben, „in dem ich das Bedürfnis hatte, mit allen mir zu Gebote stehenden musikalischen Mitteln zum Schaffen eines Bewusstseins für eine allgemein sichtbar und virulent gewordene weltpolitische Gefahr beizutragen“. „Und Du....“ blickt auf Hiroshima und die Folgen des atomaren Wettrüstens.

Cerha, der sich zeitlebens nicht nur für seine eigene Musik einsetzte, als Interpret, als Ensemblegründer, war auch ein bedeutender Lehrer. Unter seinen Schülern etwa der wichtige Komponist Georg Friedrich Haas. Es ist nicht einfach, aber es geht weiter. ith

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