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Marianne Faithfull: Fast wäre sie verloren gegangen

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Von: Harry Nutt

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Marianne Faithfull tritt 2014 im niederländischen Carre Theater auf.
Marianne Faithfull tritt 2014 im niederländischen Carre Theater auf. © dpa

Marianne Faithfull zum 75. Geburtstag.

Ende der 70er Jahre stieg man oft zu ihr ins Cabrio, um sich bei einer nächtlichen Fahrt durch Paris den warmen Sommerwind durch die Haare wehen zu lassen. „The Ballad Of Lucy Jordan“ hieß ein häufig gespielter Song des Albums „Broken English“, mit dem Marianne Faithfull 1979 ein bemerkenswertes Comeback feierte. Stimmlich war sie gereift, der Sound entschieden modern, geeignet jedenfalls, um neben Postpunk und New Wave zu bestehen.

„The Ballad Of Lucy Jordan“ handelt von den Sehnsüchten einer Frau, die im Alter von 37 Jahren erkennen muss, dass sie ihre Träume nicht mehr verwirklichen wird. Die Imagination einer luxuriöse Autofahrt ist dafür lediglich symbolischer Ausdruck, dem Marianne Faithfull einen resignativ-abgeklärten Klang verleiht. Aus ihrem Mund ist das Stück natürlich ein Rollenspiel. Wie nur wenige hat Marianne Faithfull Mitte der 60er Jahre gierig nach dem wilden Leben gegriffen, fast wäre sie dabei verloren gegangen.

Regen, der auf den Boden fällt

Marianne Faithfull hat „Sister Morphine“ von den Rolling Stones nicht nur gesungen, beinahe schicksalshaft war sie auch mit den Eskapaden und Drogenexperimenten der Band verbunden. Rauschhaft ihre Erscheinung als vorübergehende Freundin von Mick Jagger, hinreißend ihr Debüt mit dem späteren Stones-Klassiker „As Tears Go By“. Der süßliche Klang und die minimalistischen Zeilen verdecken die depressive Grundstimmung: „All I hear, is the sound/of rain falling on the ground“.

Marianne Faithfull war noch keine 18, als sie mit „As Tears Go By“ in der Londoner Szene erschien, Groupie und Talent gleichermaßen. Wenig später heiratete sie den Künstler John Dunbar, verließ ihn aber bald nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Nicholas wieder für das aufregende Leben im Umfeld der Stones, zu dessen Tiefpunkten eine Razzia im Haus von Keith Richards gehört, nach der Marianne Faithfull für die Öffentlichkeit nur als „nacktes Mädchen im Pelzmantel“ in Erinnerung blieb.

So gesehen war „Broken English“ das hörbare Zeichen eine verspäteten Emanzipation und der Beginn der Befreiung von langjähriger Drogensucht. Hatte Marianne Faithfull bereits in den späten 60ern wiederholt Film- und Werbeauftritte – unter anderem in dem legendären Afri-Cola-Clip von Charles Wilp –, so widmete sie sich später ernsthaft der Schauspielerei, in der sie ihren glanzvollen Höhepunkt in der Rolle der Irina Palm, einer spät berufenen Sexarbeiterin, in dem gleichnamigen Film von Sam Gabarski aus dem Jahr 2007 hatte, für die sie auf der Berlinale den Silbernen Bären als beste Schauspielerin erhielt.

Gesundheitlich stark angegriffen, beeindruckte sie zuletzt mit dem musikalischen Lyrik-Album „She Walks In Beauty“. Schien das Leben der einstigen Muse lange wie ein einziger Rausch, so geht es ihr heute um den Nachhall einzelner Worte, die eine ganze Welt bedeuten können. An diesem Mittwoch wird Marianne Faithfull 75 Jahre alt.

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