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Young Fathers „Heavy Heavy“: Die sich selbst überraschen wollen

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Von: Stefan Michalzik

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Die Young Fathers. Foto: Verstärker/Julia Noni
Die Young Fathers. Foto: Verstärker/Julia Noni © Verstärker/Julia Noni

„Heavy Heavy“, ein ernsthaftes wie auch spielerisches Album der Young Fathers.

Als „psychedelische Hip-Hop-Boy-Band“ haben sich nicht ohne Ironie die Young Fathers zum Zeitpunkt des Erscheinens von „Dead“, ihrem Debütalbum aus dem Jahr 2014 bezeichnet. Später beanspruchten sie einfach, eine „Popband“ zu sein und wollten von der Genrezuschreibung HipHop nichts mehr wissen. Ins Bild vom gängigen Radiopop jedenfalls passt auch die Musik von „Heavy Heavy“ nicht, dem vierten Album des Trios aus dem schottischen Edinburgh.

Der HipHop stellt den ästhetischen Bezugsrahmen dar, mannigfaltig jedoch greift die Musik aus in Gospel, Soul und R’n'B, Psychedelia, Krautrock und Dub, Industrial, Post-Rock und Trip-Hop. In die mit Hautfarben spielenden Titeln der beiden letzten Alben, „White Men Are Black Men Too“ (2015) und „Cocoa Sugar“ (2018), kann man eine antirassistische Position hineinlesen. Zwei der Musiker haben ihre Wurzeln in Liberia beziehungsweise Nigeria. Solidarität zählt, so ihre Texte, auch vor dem Hintergrund, dass die Musiker – Alloysious Massaquois, Kayus Bankole und G Hastings, sämtlich sind sie Sänger, Rapper und Produzenten – aus der Arbeiterklasse stammen.

Den Popavantgardismus treiben die Young Fathers präzise so weit, dass sich auch jenseits der inneren Popzirkel niemand ernstlich verschreckt zu fühlen braucht. Am Ende scheint eine gefühlvoll soulige Klavierballade zu stehen, „Be Your Lady“ – doch eben bloß scheinbar, bis ein elektronisches Blubbern und Bassgeballer ins Spiel kommt.

Die Young Fathers engagieren sich bei der umstrittenen BDS-Bewegung, die einen Boykott Israels propagiert. Ein Auftritt bei der Ruhrtriennale in Bochum 2018 wurde von den Veranstaltern zunächst abgesagt, dann die Absage wieder zurückgenommen, schließlich winkte die Band ab. „Wir kritisieren die Regierung Israels“, hatte sie im Deutschlandfunk erklärt, ,,wir kritisieren aber auch Menschen, die sich antisemitisch äußern“. Zutiefst fragwürdig und befremdlich jedoch die Weigerung, beim Pop-Kultur-Festival in Berlin 2017 aufzutreten, mit der bedenklichen Begründung, es stehe eine Künstlerin auf dem Programm, deren Auftritt mit einem Reisekostenzuschuss vom israelischen Staat unterstützt wird.

Das Album:

Stefan Michalzik: Heavy Heavy. Ninja Tune/Rough Trade.

Unbestreitbar die überragende ästhetische Brillanz. Erneut tauchen Stilmerkmale afrikanischer Musikkulturen auf, Segmente von traditionellen Gesängen und Trillern etwa in „Ululation“. Da ist mal ein polternder HipHop-Boogie wie in „I Saw“ oder auch dem finalen „Be Your Lady“. Zumeist indes handelt es sich um eine Musik der Schichtungen, bass-schwer schleppend und zähflüssig, mal auch quasi-orchestral, wie in „Tell Somebody“. In „Geronimo“ wiederum legt sich ein Flüster-Sprechgesang über einen ambienthaften Sound mit einem eher unterschwellig verwobenen Chor; eine Rap-Passage mündet in ein Beach-Boys-Falsett.

Vorher noch nie gehört

Einesteils stehe „Heavy Heavy“, so hat es G Hastings in einem Interview gesagt, für Ernsthaftigkeit und Intensität, die Doppelung des Wortes jedoch trage eine spielerische Note bei. Tatsächlich sind beide Aspekte zu spüren. Die Band, so Alloysious Massaquoi, wolle sich selbst überraschen und eine Musik machen, die sie vorher noch nie gehört habe. Sind auch die Young Fathers in ihrem Stil längst wiederzuerkennen, so werden sie der eigenen Idee doch weiterhin gerecht.

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