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Wiener Symphoniker in Frankfurt: Als wollte der Klang selbst etwas erzählen

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Von: Bernhard Uske

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Beatrice Rana.
Beatrice Rana. © MiS/Imago

Die Wiener Symphoniker mit der Pianistin Beatrice Rana in der Alten Oper Frankfurt.

Im Abstand von zwei Tagen gaben sich Wiener Philharmoniker und Wiener Symphoniker die Klinke des Großen Saals der Alten Oper in die Hand. Beide mal mit engem Programmkorridor und beide mal mit dem gleichen Finalwerk: der 2. Sinfonie von Johannes Brahms, der man ruhigen Gewissens den Beinamen „Die Ewige“ geben könnte, scheint im sinfonischen Musikbiotop das Werk mittlerweile die Essenz aller Klassik zu sein, so oft bekommt man dieses künstlerische Exemplar von 1877 vorgelegt.

Vorteil: am immergleichen Präparat lässt sich die kleinste Abweichung am besten beobachten. Jetzt, beim Pro-Arte-Gastspiel der Symphoniker war der Ton und Zugriff des 123 Jahre alten Orchesters etwas abweichend von dem des 58 Jahre älteren Wiener Konkurrenten.

Aber man nahm sich bei der Darstellung nicht viel: die Sonorität der Symphoniker ist eine Spur direkter, kompakter und verdankt sich nicht zuletzt der ganz exzellenten Gruppe der Bratschen. In puncto Präzision in der Sprungbereitschaft haben die Philharmoniker mehr Luft, während die Symphoniker mehr Druck entwickelten. Die Klangplastik des Werks war hier greller ausgeleuchtet.

Entscheidend für die Differenz aber war natürlich der interpretatorische Zugriff: bei den Philharmonikern dirigierte Christian Thielemann, bei den Symphonikern Jaap van Zweden, seines Zeichens Chefdirigent der New Yorker Philharmoniker sowie der Hong Kong Philharmoniker. Es zeigten sich ein kerniges Profil und eine direktere Haptik. Das Drama der Varianz, wie man die Brahms’sche Komponierweise nennen könnte, kam stärker einem Handlungsverlauf nahe, so wie es zu Beginn bereits bei der Egmont-Ouvertüre Ludwig van Beethovens geschah. Hier waren die lastenden, seufzermotivischen Passagen sehr stark gemacht.

Solche Interpretationsweise passte gut zum Beethovenschen 4. Klavierkonzert mit Beatrice Rana als Solistin. Am hell timbrierten Flügel konnte sie eine zupackende und geschärfte Leichtigkeit entwickeln, deren Spektrum spannungsreicher Klanghandlungen auf den Tasten bis zur andachtsvollen Besinnung sowie tänzerischer Turbulenz des dritten Satzes (Rondo. Vivace) reichte. Das vorgeblich lyrisch bestimmte Meisterwerk zeigte sich als ein nicht dräuendes, aber wohl markantes Selbstporträt eines Komponisten, der die aufgelöste Spannung zwischen dem Klanggefühl in höchsten Tönen und dem populären Trubel suchte.

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