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Wenn du mich begrapscht, grapsche ich zurück

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Von: Stefan Michalzik

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Janelle Monáe vor einer Woche bei der Met-Gala in New York.
Janelle Monáe vor einer Woche bei der Met-Gala in New York. © afp

Bisher war sie kompromisslos gut, nun legt Janelle Monáe mit „Dirty Computer“ ein arg glatt produziertes Album vor.

Hochgesteckt waren die Erwartungen an das neue Album von Janelle Monáe. Was ist dieses „Make Me Feel“, der Song, der dem Album vorausgeschickt worden ist, doch für eine grandiose Nummer! Mit diesem funky Knaller war es Monáe gelungen, ihrem erklärten Vorbild Prince eine Reverenze zu erweisen, in einer umwerfend frischen und originellen Art.

Nun liegt das Album vor, „Dirty Computer“ heißt es, es ist ihr drittes, und der Eindruck – ist ein zwiespältiger. Es handelt sich um ein weiteres Beispiel für weibliches Empowerment im Pop, allerdings ist es ziemlich ernüchternd. In großen Teilen ist das ein arg glatt produziertes R’n’B-Album, das in der Summe weit hinter dem atemberaubenden künstlerischen Niveau von Monáes bisherigen Meisterwerken wie etwa „The ArchAndroid“ von 2010 zurückbleibt. Eine sichere Karte für den Weg in die Charts, ausgefuchst produziert – aber viel Standardware. Es hebt gleich irritierend mau an, mit der keine zwei Minuten dauernden Titelnummer, einer Andeutung bleibende Ballade mit dem Gast Brian Wilson und einer unmotivierten Verwurstung des berühmten Harmoniegesangs der Beach Boys. Ein Fehlstart.

„Crazy Classic Life“ ist eine getragene Rapballade, „Take a Byte“ ein nicht weiter auffälliger R’n’B-Titel. Das Album braucht bis zur fünften Nummer, um in die Gänge zu kommen. „Screwed“ zeichnet sich als ein weiteres Beispiel für die gelungene Überschreibung eines gewissen Prince-Etwas aus und durch einen Rap von Zoe Kravitz, der von einem kämpferischen weiblichen Aufbruch kündet.

Wir erinnern uns: in einem Statement bei der Grammy-Verleihung 2018 hatte Janelle Monáe die Zeit der ungleichen Bezahlung, der Diskriminierung, Belästigung und jeder Art von Missbrauch für beendet erklärt.

Ähnlich wie andere Stars, etwa Beyoncé, hat sie sich der neuen feministischen Bewegung im Pop angeschlossen, sie setzt sich für die queere Community ein. In Interviews hat sie sich gerade als pansexuell geoutet, eine nach allen Richtungen offene sexuelle Orientierung, die über die von ihr bekannte Bisexualität hinausgeht. „Everything is sex and sex is power“ singt sie und sie lässt ihre Vagina reimen: „Ich falte Machos zusammen wie Origami, das ist keine Welle, das ist ein Tsunami“. Ihre bisherige Maske als Android Cindi Mayweather hat sie abgelegt, nun soll es sie selber sein, die sich inszeniert.

Im Verlauf des Albums finden sich immerhin noch einige recht ansprechende Songs. „Pynk“ mit Grimes als Gast an den Synthies ist eine recht hübsche Schnippsnummer in einem sehr reduzierten Sound. Oder „I Got the Juice“ – Zitat: „If you try to grab my pussy, this pussy grabs you back“ – mit einem Auftritt von Pharrell Williams sowie die mit Streichern unterlegte Neosoulballade „Stevie’s Dream“. Überdeutlich sind noch einmal die Prince-Anklänge in der Schlussnummer „Americans“.

Der Gesamteindruck: da gelingt es einer Musikerin nicht, ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, weil sie sich zu sehr auf den Weg an die Spitze fokussiert. Das ist sehr schade, denn Janelle Monáe hätte gewiss das Zeug, eine ganz tiefe Spur in der Popgeschichte zu hinterlassen – dafür aber bräuchte es eine Rückkehr zu ihrer Kompromisslosigkeit.

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