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Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, gespielt von Anne-Sophie Mutter: Invasion von Killerbienen

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Von: Bernhard Uske

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Die Geigerin Anne-Sophie Mutter
Die Geigerin Anne-Sophie Mutter. © Markus Scholz/dpa

Anne-Sophie Mutter mit von ihrer Stiftung gefördertem Nachwuchs in der Alten Oper.

Den Musiker oder vielmehr die Musikerin kann man als Volkskünstlerin bezeichnen, die bei ihrem Auftritt dem unreglementierten Applausverhalten der vox populi ausgesetzt ist. Die klassische Beifallsbekundungsetikette ist da außer Kraft gesetzt, so wie es jetzt beim Pro-Arte-Gastspiel von Anne-Sophie Mutter in der Alten Oper Frankfurt der Fall war. Dem eigensinnigen Zuspruch von offensichtlich nicht ganz in den Musentempeln heimischen Zuhörern und Zuhörerinnen kommt dabei die Art der Programmgestaltung der Volkskünstler meist entgegen. Sie bildet eine Symbiose mit der Publikumsverehrung, denn der Volkskünstler weiß, was das Kollektiv verlangt.

Das war so bei José Carreras, bei Lang Lang oder Nigel Kennedy, bei der späten Jessye Norman und vielen anderen. Und bei Anne-Sophie Mutter, inzwischen 58 Jahre alt, war es nicht viel anders. Ein Publikumsschlüsselreize auslösendes Stück ihrer Auftritte sind seit langem die „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi. Ein Dauerbrenner, der von Mutter in alle Richtungen des artikulatorischen Spektrums ausgereizt wird.

Diesmal war das Insekten-Summen im Sommer-Concerto eine Art Invasion von Killerbienen, kamen rekordverdächtige Tempi zur Geltung, bekamen Akkordbildungen detonationsgewaltige Wucht. Das Winter-Concerto schien eine Geisterstunde. Die schönen Klangbilder von 1725 waren ein Exerzierplatz geworden für technische Brillanz, der wenig Atmosphäre und Feinheit bot.

Ein handfestes Opus

Begleitet wurde der Star des Abends von jungen Talenten der Anne-Sophie-Mutter-Stiftung: „Mutter’s Virtuosi“. Die traten gleich zu Beginn auf in Antonio Vivaldis „Konzert für vier Violinen“ in h-Moll, bevor Mutter und Mutter-Stipendiat Linus Roth die „Gran Cadenza“ spielten, die Unsuk Chin vor drei Jahren für die Geigerin geschrieben hat. Ein recht handfestes Opus im Unterschied zu den sirrend-flächigen, sehr hell timbrierten sonstigen geigerischen Werken der 60-jährigen Südkoreanerin.

Mutter hatte klug dem Publikum in der Alten Oper die acht Minuten dauernde Darbietung schmackhaft gemacht, die für manchen sonst vielleicht zuviel Nervpotential enthalten hätte. Von galaktischem Wettkampf, Disput, Ausgleich war die Rede.

Zudem war in diesem Konzert ein nicht allzu geläufiges Kammermusikwerk Wolfgang Amadeus Mozarts zu hören. Sein 6. Streichquintett KV 614, wo die vier Stipendiatenstimmen gegenüber der virtuosen Mutter-Stimme doch schmalbrüstig und eher wie ein Tutti wirkten. Hier gab es auch die eine oder andere Disparatheit bei Intonation und Gestaltprofil.

Die Ausgewogenheit der volkskünstlerischen Programmatik kam mit einem von John Williams eigens für Anne-Sophie Mutter transformierten Jazz-Song aus „Cinderella Liberty“ zu einem runden Abschluss.

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