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Uraufführung beim „Cresc...“-Festival – „Ich – Juchhe!“

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Von: Bernhard Uske

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Boxerlegende Cassius Clay alias Muhammad Ali in Siegerpose im Boxring der 60er Jahre.
Boxerlegende Cassius Clay alias Muhammad Ali in Siegerpose im Boxring der 60er Jahre. © dpa/(Archivbild)

Muhammad Ali rief es seinen Fans zu und verfälschte wohl seinen Sinn: Der HR macht das Poem „me we“ zum Motto seiner Biennale

Give us a poem“ riefen die Studentinnen und Studenten am 4. Juli 1975 in der Harvard University Muhammad Ali alias Cassius Clay zu. Und der antwortete mit dem angeblich kürzesten Gedicht der Welt: „me we“, das allerdings von Strickland Gillilan stammt und in Harvard, vom Box-Heroen nur gesprochen, durchaus auch „me – whee!“ meinen könnte („Ich – Juchhe!“).

Der Hessische Rundfunk hat me we jedenfalls zum trendgerechten Motto seiner diesjährigen „Cresc ... Biennale für aktuelle Musik“ gemacht. Bespielt wurde dabei jetzt, vom Ensemble Modern, auch das LAB in der Schmidtstraße, wo fünf Komponistinnen und Komponisten sich präsentierten. Sie fassten sich nicht so kurz wie Gillilan und waren bis auf eine Ausnahme zudem von der knock-out-Dramaturgie eines Muhammad Ali reichlich entfernt. Erstaunlich bei einem Konzert, das die Menschheitsvielfalt zu feiern gedachte, wie einheitlich und homogen der Ton war, der angeschlagen wurde. Kitty Xiaos „In Flesh II“, Omer Barashs „Te’ena“ und Katherine Balchs „waste knot“ sowie Piotr Peszats „Gewalt der Musik“: allesamt Uraufführungen der in den neunziger Jahren Geborenen. Konglomerathafte, mal mehr disparate, mal eher breiige, zwischen zehn und vierzehn Minuten dauernde Gebilde.

Von einer Wolke umfangen

Das Me-We-Thema spielte dabei gar keine Rolle, eine beachtliche wohl aber die alles umfangende elektroakustische Wolke, in der die Instrumente des Ensemble Modern zu leben hatten. Bei insgesamt verhaltenem Duktus: keine Ausbrüche, Aussetzer, nichts Sprengendes oder sonstwie Abständiges. Mittelmaß hätte die Spannungsstufe heißen können. Der narrative Überbau machte sich im Programmheft mal poetisch-illustrativ, mal kulturkritisch angesäuert oder einfach entwaffnend geltend: „...das Verhältnis von innen zu außen aufspüren – und alles, was uns voneinander trennt.“

Es gab auch Lichtblicke – etwa in der Stimmführung Nina Guos, einer Sopranistin, die mit feinsinniger Vokalität, mit ganz leichtem Timbre, den Stücken, in denen sie auftrat ein Gewinn war. Auch die elektroakustische Verpackung und Plastinierung (perfekt: Norbert Ommer) brachte klanghaptische Momente ins Spiel. Souverän teilten sich Angus Lee und Sara Caneva das Dirigat.

Ganz zuletzt war „Paramount“ von Philipp Krebs die Sprengung des Behälters vor sich hinköchelnder Harmlosigkeit. Ein konzertanter Topos in einfacher, absolut klar gesetzter Tektonik in polygonaler Bauform. Fast ein Neo-Neo-Klassizismus, aber mechanisch gewitzt, kristallin ausgehärtet, aufmerksamkeitserzwingend in seiner asymmetrischen Dramaturgie.

Etwas, das nach Autonomie klang, nach Kraft und Gefahr, frei von Bedeutsamkeitshuberei: me without we!

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