Unbedingt alle Register

Die Sängerin Youn Sun Nah hüpft von Stil zu Stil und verkauft sich bei den JazzNights unter Wert.
Ihre Plattenfirma, das Münchner Jazzlabel ACT, hat Youn Sun Nah als eine der „schillerndsten und erfolgreichsten Jazz-&-Beyond-Künstlerinnen unserer Zeit“ ausgerufen – das Konzert bei den JazzNights in der Frankfurter Alten Oper indes ist ziemlich mäßig besucht. Die 48-jährige Südkoreanerin, die nach einer Karriere als Musicalstar in ihrer Heimat erst mit Ende zwanzig zum Jazz gekommen ist, eröffnet mit einer Ballade im klassischen Jazzdivenstil. An zweiter Position die vor allem durch die Talking Heads geläufige Al-Green-Nummer „Take Me to the River“ als veritabler Funkstomper. Mithin ein ausgesprochen konventioneller Einstieg, soweit recht souverän gemacht, aber nicht aufregend.
An dritter Stelle eine eher entlegene Nummer von Jimi Hendrix, „Drifting“, von Nah und der Band – Frank Woeste, Tasteninstrumente; Brad Jones, Bass; Tomek Miernowski, elektrische und akustische Gitarre und Dan Rieser am Schlagzeug – in einen gewissen psychedelischen Furor getrieben. Die schottische Folkballade „Black is the Color of My True Love’s Hair“ ist ganz reduziert instrumentiert, mit Nah selbst an der Kalimba. „Momento Magico“ von ihrem früheren Weggefährten Ulf Wakenius ist eine voltenreich ausgiebige Scatnummer auf Latinfusion-Basis. Dass sie mit triefendem Kitsch keine Probleme hat, belegt Nah anhand einer Ballade aus ihrer koreanischen Heimat, in der sie ihre Stimme in die allerhöchsten Töne treibt.
Ein arges Schauderstück ist desgleichen die übertrieben salbungsvolle Version von Leonard Cohens überstrapaziertem „Hallelujah“ mit einer mäßig inspirierten Americana-Gitarre als Begleitung. Schlimm. Wenig glücklich auch die lärmige Anverwandlung von Tom Waits’ Klassiker „Jockey Full of Bourbon“ – welch Gegensatz zu Nahs wunderbar spielerisch leichter Einspielung dieser Nummer.
Gar kein Zweifel, mit der Stimme umzugehen weiß diese Frau virtuos. Man bekommt den Eindruck, Nah wolle an diesem Abend unbedingt alle Register ziehen. Das präsentiert sich aber als heilloses Stilhopping und Stadel der Gefälligkeit. Am Schluss gar, in der Zugabe, muss es dann auch noch ein französisches Chanson sein, gleichsam in originaler Aufführungspraxis.
Der Eindruck dieses Konzerts ist der einer Sängerin, die hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt und der zum Teil ganz einfach die Richtung verlorengegangen ist. Ganz anders als auf ihren Alben. Sehr ansehnlich auch das jüngste mit dem Titel „She Moves On“. Man weiß eigentlich nicht, weshalb sich das im Konzert derart medioker darstellen muss; immerhin ist die Band weitgehend die gleiche wie auf dem Album.
Im Übrigen stehen die piepsigen, kokett schüchternen Ansagen in einem befremdlichen Gegensatz zum selbstbewussten Auftreten als Sängerin – das gibt ein derart unzeitgemäßes Bild ab, dass es einem die sprichwörtlichen Schuhe auszieht.