Tori Amos in Frankfurt – Schon auch eine Art Märchen

Tori Amos mit ihren dichten Klanggeweben in der Alten Oper Frankfurt.
Viele Grüße von meinem 14-jährigen Fan-Girl-Ich“, schreibt die Dame mit den Tori-Amos-roten Haaren auf das Vor-der-Bühne-Selfie. Sie ist sicher keine 14 mehr. Weiter hinten monologisiert ein Herr über den Bösendorfer, den Amos stets spielt, und ihren Soundcheck in Boston: Nerdismus weht durch die Alte Oper Frankfurt.
Jeden Abend ein neuer Mix
In den Mainstream hat Tori Amos es nie recht geschafft, aber sich seit den 90ern treue und kenntnisreiche Fans erworben. Meist reichen wenige Takte für erkennendes Johlen – und das, obwohl Amos so gar nicht auf „Best of“ setzt. An jedem Abend – es ist ihr letzter in Deutschland – mischt sie bekannte und wenig bekannte Songs aus ihren mittlerweile 16 Studioalben neu zusammen.
Das Bauprinzip der Arrangements ist meist ähnlich: Bassist Jon Evans, Drummer und Perkussionist Ash Soan und Amos am Flügel schichten zunächst instrumentale Klänge, gern etwas verrätselt und mehr illustrativ als rhythmisch und melodisch. Nach und nach schält sich die Melodie aus den schweren Klavierakkorden. Amos spielt sich in Trance, bevor der Gesang einsetzt.
Der Opener „A Sorta Fairytale“ ist einer der wenigen in den Charts erfolgreichen Songs der 59-Jährigen. Er stammt vom 02er Konzeptalbum „Scarlet’s Walk“, von dem Amos auch „Amber Waves“ und „Wednesday“ im Programm hat. Damit ist es das an diesem Abend am meisten vertretene Studioalbum – vom jüngsten Werk „Ocean to Ocean“ sind nur Titeltrack und „Devil’s Bane“ auf der Setlist.
Vor Amos steht Hilde Skaar auf der Bühne, eine norwegische Singer-Songwriterin, mit durchweg langsamen, melancholischen Songs. Das Publikum klatscht freundlich, wofür sie sich lieb bedankt. Amos spart sich nette Dialoge. Nur zu Beginn erinnert sie sich, dass sie auch schon im Mozartsaal und im Foyer der Alten Oper gespielt hat. Der Rest ist Musik: hinten Bass und Drums, vorn Amos zwischen Flügel und Keyboards, ein Mikro links, eins rechts. Dahinter ein farbig bestrahlter Vorhang, der abwechselnd Wasserflächen, Waldgestrüpp oder Sternenhimmel simuliert.
Den Flügel traktiert sie hart
An Kate Bush erinnert der klare, klassisch ausgebildete Mezzosopran. Mit Björk hat Amos die hypnotische bis exzentrische Herangehensweise gemein. Ihr Flügel ist kein Begleitinstrument, er wird hart traktiert. Hinzu kommen Hall- und Soundeffekte und sogar einmal ein Backgroundchor aus der Konserve.
Für „Sister Janet“, einst die B-Seite der Single „Cornflake Girl“, schickt Tori Amos die beiden Kollegen von der Bühne. „Jetzt kommt der Solo-Teil“, mansplaint der Herr weiter hinten. Ach neee.
Auch allein erzeugt Amos dichte Klanggewebe, noch mehr groovt es mit Bass und Drums. Zu „Take To The Sky“ packt sie als Intro Carole Kings „I Feel The Earth Move“. Dann stürmt das Publikum vor die Bühne. „Das machen die immer zum Konzertende“, kommentiert der Mansplainer. Stimmt. „Und sie gibt immer zwei Zugaben.“ Stimmt auch: diesmal „Cornflake Girl“ und „Hey Jupiter“.