Tom Jones „Surrounded By Time“: Mit Honig und Schärfe

Tom Jones stellt auf „Surrounded By Time“ originell Ausgewähltes zusammen. Sting greift mit „Duets“ in die Schubladen.
Der Waliser Sir Thomas John Woodward, bekannt als Tom Jones oder auch „Tiger“, hat in seiner langen Karriere so ziemlich alles an populärer Musik gesungen, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Blues, Soul, R&B, Rock‘n’Roll, Schlager, Gospel, Country. Auch mal einen Werbe-Song für Australiens Rugby League. Den Titelsong für den Bond-Film „Thunderball“, das war 1965. Er hat „Green, Green Grass of Home“ ebenso gesungen wie Princes „Kiss“. „God Save the Queen“ ebenso wie Randy Newmans „You Can Leave Your Hat On“. Zusammen mit „Sex Bomb“ schien ihm dieser Titel auf die kraftvolle, sexy angeraute Bariton-Stimme, auch auf den Leib geschrieben: Bei Auftritten das Hemd stets ein gutes Stück aufgeknöpft, die Hose hauteng, gab er gern den Womanizer.
Leiser geworden ist er nicht
Im Juni wird Tom Jones 81 – er lässt sich nun auch im Mantel fotografieren, aber leiser geworden ist er nicht. Am heutigen Freitag erscheint sein neues Album „Surrounded By Time“, das durchaus nicht wie ein Abschied wirkt: Es ist eine eigenwillige, originelle Auswahl von zwölf Songs von Cat Stevens bis Bob Dylan, von Waterboy Michael Scott bis Terry Callier, eine Auswahl, in die man manches hineinlesen kann, aber nicht muss.
„I Won’t Crumble With You If You Fall“ (Bernice Johnson Reagon) ist zu Anfang eine starke Gospel-Ansage, musikalisch nur sparsam unterlegt. Vielleicht auch eine Ansage, dass die Stimme mit Fülle und Ruhe weiterhin trägt, mit Selbstbewusstsein auch durch etwas großsprecherische Zeilen wie „I will hold back the evening of your sun“.
Die Alben:
Tom Jones: Surrounded By Time. Universal Music
Sting: Duets. Universal Music
Tom Jones macht Songs gern größer, ausgepolsterter, als man sie im Original oder von anderen kennt, ob es hier die durch Dusty Springfield bekannten „Windmills Of Your Mind“ sind, Dylans Ballade „One More Cup Of Coffee“ oder „This Is the Sea“, das die nervöse, spitzige Energie Michael Scotts in Jones’ Version verliert. Dafür versteht man jedes Wort. Mit einem Furor, der nicht ganz unjugendlich wirkt, interpretiert Tom Jones „Pop Star“ (Cat Stevens/Yusuf Islam) – trotzdem muss man daran denken, dass hier ein 80-Jähriger einen Text über einen ersten Auftritt, „first gig“, singt und seine Mama anfleht, ihm zuzugucken. Altersangemessener ist sicher „I’m Growing Old“ (Bobby Cole), behutsam vom Piano begleitet: „I’m growing fainter in my talk/ I’m growing deeper in my sighs“.
Perfekter Talking Blues
„Faint“, schwach und matt, kann man dieses Album wirklich nicht nennen. Es sind immer noch Honig und Schärfe, Tiger-Röhren und Crooner-Tremolo in Tom Jones’ Stimme. Es genügt sogar, wenn er nur sonor spricht, wie in Todd Sniders „Talking Reality Television Blues“, der Geschichte einer verrückten (Fernseh-)Welt, in der die Wahrheit von einem Reality-Star mit komischer Frisur gekillt wird.
Von Tom Jones erschien 1999 „Reload“, ein Album mit Duetten, das nicht sonderlich gut aufgenommen wurde – man warf ihm vor, die Wiederverwertung seiner Hits zu übertreiben. Dies hätte jetzt auch bei Sting Berechtigung, der im März „Duets“ herausbrachte, ein Album mit, ganz überwiegend, alten Aufnahmen, wenn auch ein Gutteil davon auf Alben seiner Duett-Partnerinnen und -Partner erschien.
„Duets“ erinnert daran, wie wandelbar der Musiker und Sänger Sting ist. Wie er mit Shaggy ein Reggae-Album aufnahm, das war erst 2018, wie er mit dem algerischen Rai-Sänger Cheb Mami 1999 den Ohrwurm „Desert Rose“ einspielte, mit Charles Aznavour für „L’amour c’est comme un jour“ berührend zusammenfand und mit Sam Moore für das ebenfalls innige „None Of Us Are Free“. Sein „Whenever I Say Your Name“-Duett mit der furiosen Mary J. Blige erhielt 2003 einen Grammy. Das leise-nachdenkliche „Practical Arrangement“ mit Jo Lawry hätte einen verdient.
Einiges hört sich aber auch so weg, ist uninspiriert („Reste“ mit Gims, „Mama“ mit Gashi) oder so vertraut („Desert Rose“, „Fragile“, hier mit Julio Iglesias), dass man es nicht auf einem weiteren Album bräuchte, weil es oft genug in Kaufhäusern läuft. Sting, sollte man meinen, ist eigentlich mit noch nicht 70 jung – und fit – genug für ein Album, das nicht die Archive plündert.