Taylor McCall „Black Powder Soul“: Dem Satan nur der halbe Morgen

Auf seinem Debütalbum ringt Taylor McCall um seine Schwarzpulverseele.
South Carolina hat einen seiner talentiertesten Naturburschen verloren. Das Fliegenfischen war sein Metier, die Kunst des Werfens und Köderns, des Fliegenbindens. Er angelte im klarkalten Gebirgsbach, angelte im Tückischen und Trüben. Heute spielt Taylor McCall elektrische Gitarre.
Nach zwei oder drei EPs liegt nun das Debüt mit dem hervorragenden Titel „Black Powder Soul“ auf dem Werkstisch. Niemand kann sagen, dass der Endzwanziger mit dem bleichen Bubengesicht einer verlogenen Verheißung gefolgt wäre. Statt der Keulenschnur dirigiert seine Hand seit wenigen Jahren das Sechssaitenbündel – ebenso leidenschaftlich, ebenso eigengesetzlich, ebenso zielsicher.
Das Song-Dutzend changiert ohne nennenswerte Einbußen zwischen Blues und Gospel, Rock und Folk. Das Schroffgepackte, Grobknöcherne überwiegt in Erkennungsnummern vom Schlage „Crooked Lanes“ oder „Black Powder Soul“. Ein von energischen Solos aufgerissener Rhythmus-Marsch, der nur wenig Instrumentierung braucht: Gitarre, Schlagzeug, Bass, hin und wieder auch Piano und eine universelle Hammondorgel.
Wer die Charts erklimmen möchte, nimmt sich den Americana-Feuerzeug-Hit „Wide Open“, wer sich an den Night-Tripper Dr. John erinnern will, greift zu „Red Handed“. „Hells Half Acre“ aber ist für alle, denen der Höllenhund auf die Fersen geifert, denen nur die Flucht nach vorne bleibt. Dass dem Satan am Ende nur der halbe Morgen gehört, ist ein Verdienst inbrünstiger Bluesrock-Austreibung, einer verstört-gläubigen Schwarzpulverseele.
Das Album:
Taylor McCall: Black Powder Soul. Thirty Tigers/Membran.
Was zerrt am Köder?
Tatsächlich befinden wir uns mitten in einem Kampf. Noch ist der Fisch nicht sichtbar, noch weiß niemand, was am Köder zerrt. Taylor McCall und seine beiden Mitstreiter Sean McConnell und Ben Alleman halten knietief im sich aufbäumenden Wasser aus, im fallenden Tageslicht. Nicht notwendig ist der Blick auf das sinnig gestaltete Plattencover – nach einem Durchlauf ist klar, mit welcher Herrschaft hier gefochten wird.
„Lucifer“ dauert 9 Minuten und schleppt sich nach einer schräg gestellten Gitarren-Einleitung in schönster Southern Blues-Trotzigkeit ins Ziel. „Don’t tell me Lucifer“, sägt die raue Gitarristenstimme, um gleich ein „I had a good book in my pocket / and a six-gun in my hand“ hinterher zu werfen. Für den Job des Propheten will sich McCall mit dieser Veröffentlichung nicht bewerben, vorerst soll nur das eigene Gleichgewicht errungen werden.
Es geht die Sage, dass seine erste Erinnerung mit einer unter dem Kinderbett vergessenen und nach uralten Riten riechenden Gitarre zusammenhängt. Dem Instrument eines Mannes mit Kautabak im Mundwinkel und einem Overall am Leib. Der Großvater ist es auch, der hier die ersten und die letzten Takte beisteuern darf: wenige Sekunden, in denen der Gospelklassiker „Old Ship of Zion“ zu hören ist. Die Stimme eines Toten, erhalten für alle Zeit.
Aus „Forellenfischen in Amerika“ erklingt auch die Kunstfertigkeit eines Toten. Richard Brautigan – ein weiterer dieser Fliegenfischer vor dem Herrn – hat „Black Powder Soul“ schon 1967 vorausgeahnt: „Ich ging zum Fischen an den Salt Creek hinauf und fing eine hübsche kleine Dolly-Varden-Forelle, die schlank und gefleckt war wie eine Schlange, die man eigentlich nur in einem Juwelierladen erwarten würde, aber schon bald konnte ich nur noch an die Gaskammer in San Quentin denken.“