Die Suppe gerät ein wenig dünn

Ein Hauch von Melancholie ist im Spiel beim Konzert mit Deep Purple, Mark VIII, in der Frankfurter Festhalle.
„Tadellos“ habe Deep Purple in der Festhalle gespielt, meint jemand hinterher. Stimmt, musikhandwerklich betrachtet. Aber leider auch, was ein anderer sagt: „mittelmäßig“. Gut, ein mittelmäßiges Purple-Konzert ist immer noch um Längen besser als ein herausragendes Konzert von ... irgendeiner mittelmäßigen Band eben. Aber die brachial brodelnde Suppe aus Powerchords und High-Speed-Läufen, aus Gejamme und Geschrei, Virtuosität und Energie, die Purple eigentlich ausmacht, gerät ein bisschen dünn.
Wie viel davon am Alter liegt? Schwer zu sagen. Die Jungs der Vorgruppe Monster Truck, zuletzt schon mit Volbeat, Nickelback und Billy Talent unterwegs, sind Jahrzehnte jünger. Der Southern Rock aus Ontario, Kanada, klingt trotzdem recht abgehangen. Mit dem Sound hat es schon mehr zu tun. „Wie mein Küchenradio, nur lauter“, kommentiert jemand. Insbesondere Sänger Ian Gillan geht im Mix fast unter, seine Ansagen sind kaum zu verstehen. Schade drum, denn die druckvollen Schreie scheint er noch drauf zu haben.
Deep Purple ist in der Besetzung Mark VIII auf der Bühne. Mark II – Gillan, Jon Lord, Ritchie Blackmore, Ian Paice und Roger Glover – ist für Purple-Fans das Maß aller Dinge. Aber Lord spielt seit 2012 höheren Orts die Orgel, und Blackmore schlägt in affigen Outfits die Folk-Rock-Laute (so am 15. August in Hanau).
Die Nachfolger Don Airey und Steve Morse prügeln sich nicht um die Bühnenpräsenz wie Lord und Blackmore. Airey war bei Black Sabbath, Jethro Tull und Colosseum an den Tasten. Morse, Jahrgang 1954, ist das Nesthäkchen der Band, aber auch schon seit 1994 dabei. Klar haben sie all die Purple-Elemente drauf, die aus massiven Riffblöcken herausgeschnitzten klassizistischen Läufe, die wetteifernden Zwiegespräche, die Unisono-Passagen.
Die Anspielungen auf das Deutschlandlied und Beethoven hatte Airey schon vor zwei Jahren in der Festhalle im Solo-Block. Bei Morse bleibt manche charakteristische Passagen aus Blackmores Gitarren-Soli unverändert, aber sein Spiel ist treibender. Drummer Paice, als einziger Purple-Musiker bei allen Alben seit der Gründung dabei, drischt bewundernswert locker aufs Gerät. Die Band verlässt sich nicht allein auf alte Kracher, eröffnet mit „Time For Bedlam“ vom aktuellen Album „Infinite“, von dem drei weitere Songs folgen. Dazwischen Halbneues wie „Hell to Pay“ und „Uncommon Man“ vom nach Lords Tod nachdenklichen Album „Now What?!“ (2013) und Mittelaltes wie „Perfect Strangers“ (1984). Und eingestreut die Fossilien aus den 70ern, „Strange Kind Of Woman“, „Lazy“, „Space Truckin‘“, „Fireball“, „Bloodsucker“.
Flammen lodern über den zum Glück meist schnickschnackfreien Großbildschirm, „Smoke On The Water“ stampft durch die nicht ganz ausverkaufte Halle. Als Zugabe wie schon vor zwei Jahren „Hush“, ihr erster großer Erfolg, und „Black Night“. Auf „The Long Goodybe Tour“ ist die Band: Vielleicht liegt deshalb ein melancholischer Hauch in der Halle und dämpft die Kopfschüttelstimmung. Wenn die Großleinwand Gillan, der im August 72 wird, beim Hustenanfall zeigt, wird sich mancher erinnern, dass er sterblich ist.