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Im Sumpf geboren

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Von: Frank Junghänel

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Tony Joe White, hier 2010 in Nashville, ist 75-jährig gestorben.
Tony Joe White, hier 2010 in Nashville, ist 75-jährig gestorben. © afp

Zum Tod des Musikers Tony Joe White, der im Alter von 75 Jahren gestorben ist.

Als vor vier Wochen sein Album „Bad Mouthin’“ herauskam, konnte man nicht wissen, dass es sein letztes sein würde, man hätte es aber ahnen können. Das Dutzend von Bluessongs, das Tony Joe White in einem umgebauten Pferdestall auf seinem Anwesen in der Nähe von Nashville aufgenommen hatte, ist grundiert von einer allumfassenden Todesgegenwart. Angeschlagen, fast tonlos schleppt sich dieser einst so virile Bariton durch das Material aus fremden und eigenen Stücken. Oft flüstert er nur, begleitet von seiner Stratocaster, die ihn seit über fünfzig Jahren treu begleitet hat. Bei einem Songwriter wie ihm, weiß das Herz mehr als der Arzt. Am Mittwoch hat es auf einmal aufgehört zu schlagen. Er sei nicht krank gewesen, heißt es von familiärer Seite. Seine Zeit war wohl einfach um. Der Mann, der mit seiner Musik die amerikanische Popmusik inspiriert hat, wie nur wenige andere, wurde 75 Jahre alt.

Tony Joe White gehört zu jenen Künstlern, denen nie die öffentliche Aufmerksamkeit zuteilwurde, die sie verdient hätten. Elvis Presley machte aus seinem berühmtesten Stück, „Polk Salad Annie“, bei seinen Shows in Las Vegas eine riesige Nummer. Songs seines Repertoires wurden von Dusty Springfield gesungen, von Ray Charles, Eric Clapton und Tina Turner, sein Sound, der sogenannte Swamprock (Sumpfrock) mit seiner Melange aus Country, Soul, Cajun und Folkblues bildete den Humus, auf dem bis heute Southernrock und Americana gedeihen. Mit seinen drei essenziellen Langspielplatten aus den Jahren 1969/70 vollendete sich Tony Joe White als Songschreiber und Interpret indes um Jahrzehnte zu früh. Das gehört zur Tragik seines Lebens. Die Klasse solcher Stücke wie „Rainy Night in Georgia“, „Soul Francisco“, „Willie and Laura Mae Jones“, allesamt geschrieben, bevor er dreißig war, sollte er später nie wieder erreichen. Sein einziger Hit aus der Zeit nach dem Ruhm ist „Steamy Windows“, interpretiert von Tina Turner auf deren 1989er Album „Foreign Affair“, dessen Titelsong wie auch das tolle „Undercover Agent for the Blues“ ebenfalls von White geschrieben wurde.

Ein Undercover-Agent für den Blues ist der Mann immer gewesen, wie hätte auch anders sein können, bei dieser Herkunft. Geboren wurde Tony Joe White im Sommer 1943 im tiefsten Louisiana, als jüngstes von sieben Kindern ist er auf einer Baumwollplantage aufgewachsen. Seine Eltern und alle Geschwister machten Musik, was blieb ihnen zur Unterhaltung auch anderes übrig, zwanzig Meilen von der nächsten Stadt entfernt. Als Bobbie Gentry 1967 mit ihrem Südstaatendrama „Ode to Billie Joe“ über einen jungen Selbstmörder Furore machte, begriff er, dass all diese verspuckten und ominösen Geschichten aus seiner Umgebung schon da waren, sie mussten nur geschrieben werden.

Nun ist es vorbei. Das schönste Abschiedslied hat er sich schon ganz zu Anfang selbst geschrieben: „Takin’ the Midnight Train“.

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