Ich bin das Stück Kaugummi

Sophia Kennedys Debütalbum sprudelt vor Einfällen und verkneift sich jede autobiografische Betroffenheitslyrik.
Glasklar und direkt – es ist ein ungemein ausgereifter Popentwurf, mit dem Sophia Kennedy auf ihrem mit nichts als ihrem Namen benannten Debütalbum aufwartet. Die Produktionsweise ist eine elektronische; das Klavier spielt eine profunde, keineswegs indes zentrale Rolle.
Die bis zu ihrem zehnten Lebensjahr in Baltimore aufgewachsene, dann mit ihren Eltern nach Hamburg gezogene und heute noch dort lebende Musikerin hat gemeinsam mit ihrem Mitproduzenten und -schreiber Mense Reents – unter anderem bekannt von der Band Die Goldenen Zitronen – perkussiv geprägte Strukturen geschaffen, die ob ihrer Originalität Song um Song aufhorchen lassen. Die Nummern haben einen Flow, in einer sublimen Art sind sie durchaus eingängig. Aus der kargen Instrumentierung erwächst schillernderweise der Eindruck einer Üppigkeit von ganz eigener Art. Erschienen ist das Debüt als erstes Songalbum in der Geschichte von Pampa Records, dem technoid orientierten Label von DJ Koze.
Schon als Kind hat sich Sophia Kennedy gleichermaßen für den Film wie für die Musik interessiert und später zunächst ein Filmstudium an der Kunsthochschule in Hamburg begonnen. Bald jedoch hat sie sich in der dortigen Musikerszene umgetan und als Theatermusikerin gearbeitet, unter anderem am Deutschen Theater in Berlin und am Hamburger Thalia-Theater; ihre 2013 erschienene grandiose erste Single „Angel Lagoon“ hat Carsten „Erobique“ Meyer produziert.
Gefühl – ja. Ganz bewusst jedoch nicht in einer vom Pathos getragenen autobiografischen Betroffenheitslyrik, sondern in der künstlerisch geronnenen Form griffig gefasster Popzeilen. Partout nicht will die 26-Jährige, so hat sie das in Interviews manifestiert, eine „biedere Songwriterin“ sein, die „Authentizität vorgaukelt“.
„I’m the piece of gum that you’ve been chewing on“ – stets sind die Zeilen Kennedys auf den Punkt hin verknappt, in einer lässig pointiert sprachspielerischen, immer wieder auch Raum für Mehrdeutigkeiten öffnenden Weise. Immer wieder auch schwingt Humor mit: „Hello yellow helicopter/take me to the mental doctor“.
So einfallssprudelnd sich die musikalischen Texturen auch darstellen, niemals wirken sie ertüftelt. Vielmehr ist ihnen ein gewisser improvisatorischer Habitus eigen. Da ist mal eine Maultrommel im Loop für einen Song prägend, dann wieder ein latent metalhaftes Kontrabassriff. Mal auch gebrauchen Kennedy und Reents Streicher, in einer unsülzigen Art. Sparsam sind pophistorische Anspielungen eingestreut, etwa auf Phil Spector und seinen Wall of Sound. Ohne Retroverdacht, als sinnfällig eingesetztes musikalisches Mittel. Klöppelige Perkussion und Chöre aus Kennedys vervielfachter Altstimme fügen sich mit einem rumpeligen Beat. Andere Nummern wiederum sind von einem fragmentierten Orgelklang gekennzeichnet.
Potenziell könnten die Songs von diesem Debütalbum durchaus Hits sein. Davon allerdings ist dieser ausgesprochen warme Artpop noch meilenweit entfernt. Sophia Kennedy, auf der Konzertbühne eine sympathisch unprätentiöse Erscheinung, ist einstweilen ein klassischer Fall für die Kritiker und für ein Publikum der Connaisseure in den Klubs. Bis womöglich irgendwann, wie es so oft geschieht, einer ihrer Songs im Soundtrack zu einem erfolgreichen Film auftauchen wird...