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Sleaford Mods: „UK Grim“ – Den Mist unter die Nase reiben

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Von: Christina Mohr

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Sleaford Mods. Foto: Beggars Group
Sleaford Mods. Foto: Beggars Group © Beggars Group

„UK Grim“, das neue wütende Album der Sleaford Mods.

Niemand spuckt eine Beschimpfung wie „foookin wanker“ mit so viel Zorn und Verachtung aus wie Jason Williamson, seines Zeichens – tja, was? Als Sänger kann man ihn nicht wirklich bezeichnen, auch nicht als Rapper. Nennen wir ihn Kommentator, Mahner, Spoken-Word-Shouter, wie auch immer: Seit 2007 bildet er eine Hälfte des Elektropunk-Duos Sleaford Mods aus Nottingham, in deren erster Phase er mit Simon Parfrement, von 2012 an mit Andrew Fearn als musikalischem Partner seine politischen Tiraden in die Welt feuert. Immer auf dem Kipppunkt zwischen Hass und Stolz auf England, es ist zum Verzweifeln – aber aufgeben, sich den Tories und Royals ergeben? Niemals.

Weil Williamsons Vortragsstil so prägnant ist, wird Producer, Instrumentalist und Hausbootbewohner Fearn häufig nur als Hintergrundmusiker wahrgenommen. In der Tat verfolgt Fearn ein dezidiert minimalistisches Konzept aus billig klingenden Drumbeats plus zwingender Basslinie. Darauf lässt sich aber aufbauen: Wie wichtig Fearns Ideen sind, realisierte man spätestens bei Sleaford Mods’ letzter Platte „Spare Ribs“. Anfang 2021 erschienen, transportierte sie die klaustrophobische Stimmung im von Covid, Brexit und anderen Krisen gebeutelten Vereinigten Königreich mittels neuer Zutaten im Mods-Sound wie Funk und Synthiepop.

Erweitertes Schimpfen

Auf ihrem zwölften Studioalbum „UK Grim“ erweitern die Mods ihr Spektrum noch mehr, sogar Gitarren sind zu hören, Discobeats und ein New-Order-Sample. Und wieder Gaststimmen: Gaben sich auf „Spare Ribs“ Billy Nomates und Amy Taylor die Ehre, sind diesmal Florence Shaw von Dry Cleaning (noch eine Nicht-Sängerin) und Perry Farrell von Jane’s Addiction dabei.

Das Album

Sleaford Mods: UK Grim. Rough Trade.

Kein bisschen verändert hat sich jedoch Williamsons Unzufriedenheit mit den Verhältnissen: „I got crisis stamina, full marathon, four poo breaks / I can feel the shit from your crisis rays“, bricht es im unheilvoll dunkel wummernden Titeltrack aus ihm heraus, und weiter, „I’m not here to please you, mate“. Nein, Jason und Andrew sind hier, um uns den Mist unter die Nase zu reiben, den Liz Truss und Wladimir (zwei der namentlich Angesprochenen) produziert haben.

Zum tribalen Getrommel in „Tory Kong“ arbeitet sich Williamson an seiner geliebt-gehassten Heimatinsel ab, „I don’t wanna go, I don’t wanna go to that island / Mythical beast, flesh-eating monster“. Williamsons Stimme überschlägt sich fast in Raserei, er schüttelt sich, presst ein angewidertes „brrrr“ – sein signature sound – heraus. Aber es ist nicht nur sogenannte Weltpolitik, die Jason zum Wüten bringt: Genüsslich führt er in „DIWhy“ einen lächerlichen Hipster vor, dessen Aufklebe-Tattoos abfallen, in „Right Wing Beast“ rechnet er mit rückgratlosen Mitläufern ab, im pseudofröhlichen, zynischen „So Trendy“ gibt Perry Farrell den willfährigen Social-Media-Junkie („I got 57 screenshots in one hour just in case / I appeal to random peeps / Through a filter they know me“).

Und wohin führt das ganze Geschimpfe? Ziemlich weit, maaate: Im Juni treten Sleaford Mods in Sydneys ehrwürdigem Opera House auf. Nehmt das, wanker.

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