So schön ist der Schein

Lana Del Reys neues Album "Lust for Life" bekennt sich zur Künstlichkeit.
Schon dieses Cover: sie im weißen Kleid, Blumen im Haar, harmlos lächelnd. Ist zusätzlich noch ein Filter drüber, damit es aussieht, als sei das länger her? Man könnte das für ziemlich plump halten, flohmarktkompatibel, ein bisschen Woodstock für diejenigen, die eher mit Coachella und Haldern vertraut sind. Das Album heißt „Lust for Life“, ist einerseits natürlich wieder eine ideengeschichtliche Anspielung auf Iggy Pops gleichnamigen Klassiker, andererseits aber auch ein drastischer Bruch mit dem eigenen Davor. Da hieß ihr Album „Born to Die“, sie blickte uns auf dem Cover auch an, dort aber mit maximaler Strenge, ein ernster Blick. Gar nicht so besonders lebensmüde oder traurig, sondern eher, ja, bedrohlich, zornig.
„Look at you kids with your vintage music / You’re part of the past, but now you’re the future“ Das sind erste Zeilen des ersten, großartigen Songs „Love“. Das ist so witzig wie klug, bedenkt man, dass Lana Del Rey – seitdem sie nicht mehr unter ihrem eigentlichen Namen Elizabeth Grant Musik veröffentlicht – in den Texten wie den Bildern (und ein Stück weit auch der Musik) andauernd auf Früheres verwies. Ohne besondere Verklärung, übrigens. Aber in der Aneinanderreihung von Klischees: Cola, Hollywood, Nancy Sinatra, Stars and Stripes.
Auch die Holzhammer-Gegenüberstellung der Todessehnsucht früher und der Lust aufs Leben jetzt ist offen übertrieben. Und so ist das, was mancher daran hassen kann, wohl eine der größten Leistungen: Lana Del Rey stellt die Künstlichkeit des Ganzen permanent aus. Und dabei denkt sie andauernd darüber nach, wie das ist, eine Rolle zu spielen.
Durch die Offensichtlichkeit der Fakeness ist Lana Del Rey auch, nebenbei erwähnt, ein schöner Bruch mit dem literarischen „Unmittelbarismus“ der letzten Jahre. Von Knausgård bis zum Jungredakteur, alle schreiben jetzt, angeblich, ganz ungefiltert und echt über das echte Leben. Klingt langweilig? Es braucht eben doch einen immensen Formwillen, dem zu entgehen.
Lana Del Rey ist für den ewig von der romantischen Liebe faselnden Pop in etwa das, was Kollegah für den Gangsta Rap manchmal ist, ein ironischer Aufbruch, nicht herablassend, sondern aus Sympathie: „Doesn’t matter cause it’s enough / To be young and in love“. Das funktioniert natürlich nur als Placebo. Sobald man genauer hinschaut, ist nichts mehr egal. Dazu passt, wie „Lust for Life“ seinen eigenen Titel nicht besonders ernst nimmt.
Und schön ist der Schein auf „Lust for Life“ auch deshalb, weil Del Reys Optik nichts mit der Akustik gemein hat. Es dominiert der subbassige Sound aktueller HipHop-Produktionen, das Synthetische und Kühle. Lana Del Rey verführt gerne zum Gedanken, sie sehne sich zurück. Um diesen Gedanken formal zu unterlaufen. Und die hingeworfenen Symbole, die für sich genommen naiv wirken, werden so, in den Kontexten, die Lana Del Rey aufmacht, plötzlich zu mehr.