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Rückkehr der Hipster-Band

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Von: Tim Gorbauch

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Grizzly Bear stellen nach fünf Jahren Auszeit ihr Album "Painted Ruins" vor.

Als sie 2009 „Veckatimest“ veröffentlichten, ihr damals schon drittes Album, glich das einer Offenbarung. Es war die perfekte Formulierung des New Weird America. Musik voller komplexer, fluider, multiperspektivischer Songstrukturen – und doch auch: Pop. Grizzly Bear, ein Quartett aus Brooklyn, wurde über Nacht die Hipster-Band der Stunde, die eine geradezu opake Seltsamkeit mehrheitsfähig machte.

Von Anbeginn an war der Folk mit seinen ruralen Klangfarben und dem damals fast obligaten mehrstimmigen Gesang bloß ein Fundament, einer von vielen Bällen, die sie in die Luft warfen, um mit ihnen zu jonglieren. Auch auf „Shields“, dem Nachfolge-Album von 2011, zeigten sich Grizzly Bear als eine irrsinnig gut informierte Band tief in Jazz und Progrock hinein. Sie tourten und tourten, tingelten durch alle großen amerikanischen Late Night Shows – und waren irgendwann ausgebrannt und müde.

Fünf Jahre Auszeit liegen nun hinter Chris Taylor, Christopher Bear, Daniel Rossen und Ed Droste. Umzüge, Hochzeiten, Trennungen. Bewusst entschieden sie sich für einen entschleunigten Aufnahmeprozess, den Taylor, Bassist und Produzent, maßgeblich steuerte. Dabei war ihnen schnell klar, dass sie keine grundsätzliche musikalische Neuausrichtung wollten, sondern lieber jenen Schwebezustand weiter perfektionierten, der Grizzly Bear seit je unwiderstehlich machte.

Auch auf „Painted Ruins“ ist die Musik so vieles zugleich. Leuchtend melancholisch. Und gleichermaßen voller Euphorie. Vertrackt, nerdig vertüftelt, Haken schlagend, unvorhersehbar, abseitig, wetterleuchtend – und zugleich voller blühender Melodien, auf deren Größe eine Band wie U2 geradezu neidisch sein müsste. Man muss nur einmal hinhören, wie „Morning Sound“, eine der beiden schon vorab ausgekoppelten Singles, nach zwei Minuten sich melodisch öffnet und förmlich abhebt – into the great wide open, wie Tom Petty einst sang.

Wer will, kann in dieser Musik Tausende Referenzen ausmachen: die Beach Boys. Krautrock. Späte Talk Talk. Radiohead. Manchmal fällt das alles sogar in vier Minuten zusammen. „Four Cypresses“ heißt der beeindruckendste Song des neuen Grizzly-Bear-Albums, er beginnt ganz klein, auf einem ostinaten Schlag, den Christopher Bear an den Drums so fantastisch umspielt, bewegt und subkutan aus dem Gleichgewicht bringt, während die Musik drumherum immer mehr an Dichte und Größe gewinnt, neue Räume ergreift, wie es mit anderen Mitteln vor Jahrzehnten Crosby, Stills, Nash und Young gelang.

Und da singt Ed Droste auch immer wieder eine Zeile, die für dieser an Slogans so überhaupt nicht interessierte Band wie eine Überschrift taugt: „It’s chaos, but it works“.

Grizzly Bear: Painted Ruins. RCA/Sony.

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