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Der Riff-König

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Von: Thomas Stillbauer

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Eben noch hüpfen sie mit der Kippe im Mundwinkel über die Bühne, und zack ? sind sie 75!
Eben noch hüpfen sie mit der Kippe im Mundwinkel über die Bühne, und zack ? sind sie 75! © dpa

Keith Richards, Gitarrist der Rolling Stones, wird heute 75. Das war so nicht zu erwarten.

Diese Rockstars! Eben noch hüpfen sie mit der Kippe im Mundwinkel über die Bühne, und zack – sind sie 75! Der Geburtstag von Rolling-Stones-Gitarrist Keith Richards kommt, schon wegen der Nähe zu Weihnachten, besonders plötzlich. Obwohl eingestanden werden muss, dass der Hauptinformant der FR-Beatles-Redaktion (!) schon seit Monaten darauf hinweist, so regelmäßig und unbeirrbar wie das Gitarrenriff aus „Satisfaction“ (1965).

Selbiges nimmt übrigens Platz zwei auf der Liste der „12 Most Kick Ass Riffs“ ein, die das britische Musikmagazin NME für den Jubilar zusammenstellte, also der zwölf Gitarrenmelodien von Keith Richards, die einem am meisten in den Hintern treten. Auf Platz eins: „Jumpin’ Jack Flash“, drei: „Can’t You Hear Me Knocking“ (1971), und erstaunlicherweise nur Zehnter: „Honky Tonk Women“ (1969). 

Gesund ist das nicht

Wenn die Musikwelt sich je über etwas einig war, dann darüber: Das Wundersamste an Richards’ Fünfundsiebzigstem ist, dass er ihn noch senkrecht auf der Bühne stehend erlebt. Er sah schon vor 40 Jahren so aus wie heute. Er lieferte sich eine epochemachende Fehde ausgerechnet mit seinem Bandkollegen Mick Jagger. Stress am Arbeitsplatz – gesund ist das nicht. Hauptthema auch seines dritten Lebensabschnitts ist, wenn man der Weltpresse glaubt, der feste Wille, mit dem Saufen aufzuhören. 

Der berühmteste sechssaitige Rock-Opa gründete vor 56 Jahren in England mit Jagger die Rolling Stones. Die Legende geht so: Längst hatten sich die ehemaligen Nachbarsjungen aus den Augen verloren, als sie sich zufällig am Bahnhof von Dartford (Grafschaft Kent) trafen, Jagger mit Chuck-Berry-Platten unterm Arm. Das wäre heute nicht mehr möglich, liebe Kinder, weil ihr eure Lieblingslieder alle im Smartphone habt und sowieso nur noch Musik hört, bei der euch jemand zu Schlagzeugbegleitung ohne Gitarre anschreit. 

Andererseits: Niemand wurde jemals, als er endlich mit Chuck Berry persönlich auf der Bühne stehen durfte, vom Meister öffentlich derart zusammengefaltet wie Keith Richards. Späte Revanche: Auf der Liste der 100 besten Gitarristen aller Zeiten ist Richards Vierter, Berry nur Siebter. Die Liste hat allerdings die Zeitschrift „Rolling Stone“ gemacht. 

Keith Richards hat Heroin und die Pfadfinder überlebt

Was ist das Wichtigste an Keith Richards, was sollte man nach all den Jahren von ihm wissen? Dass sein Lieblingsgericht Shepherd’s Pie ist, ein Auflauf aus Hackfleisch und Kartoffeln? Dass er das Rauschen von Klospülungen mag, besonders nach Auftritten, weil sie klingen wie der Applaus in großen Konzerthallen, wie der Gitarrenbauer Gibson verrät? Dass er jahrelang ohne Schlaf auskommt, Heroin und sogar die Pfadfinder überlebt hat?

Möglich. Aber mal im Ernst, ob man den Typen mag oder nicht: Sein Gitarrenspiel ist einfach einmalig. Richards hat nie mit Soli brilliert wie Jimi Hendrix oder Eddie van Halen, aber er hat tatsächlich dem Riff einen Körper und eine Seele gegeben – er hat damit Lieder geboren, die beinahe so unsterblich sind wie er selbst. Mick Jagger wird vermutlich den Gesang als wichtiger erachten, aber mit Verlaub: Der Kerl mit der dicken Lippe mag zehn Jahre jünger aussehen als Richards, aber er ist schon fünfundsiebzigeinhalb. Da wird man langsam wunderlich.

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