Rapper grim104 im Mousonturm – Das Anti-Harte-Männer-Ding

Party, Gesellschaftskritik und Midlifecrisis: Rapper grim104 im Frankfurter Mousonturm.
Das Älterwerden, das Älterwerden! 34 Jahre – diese (an sich ja noch bescheidene) Zahl bekommt man mehrfach zu hören beim Konzert von grim104 im Frankfurter Mousonturm. Sehr jung hingegen noch ist die Wiener Rapperin Donna Savage, die den Abend eröffnet. Zünftig was auf die Fresse – das ist im Gangstarap die gängige Ansage an Widersacher. Der ist bekanntermaßen männlich dominiert, Savage widmet den Topos in einem popfeministischen Geist um. Im Sinne eines Gegenmodells von so etwas wie einer weiblichen Omnipotenzbehauptung geht es unter anderem verbal herzhaft gegen die „Hurensöhne“, für die ,,nicht gebremst“ wird.
Sympathisch unprätentiös kommt so etwas bei ihr rüber, mit einer androgyn tiefergelegten Stimme. Der Grundgedanke: Solidarität. Wenn es „Stress“ gibt, sollten nicht allein die „Mädchen“ zusammenstehen und was in die Fresse geben, sondern auch die Jungs. Muss man im Auge behalten, eine der talentiertesten deutschsprachigen Rapperinnen seit Haiyti.
Vom Harte-Männer-Ding im Rap wollten grim104 und Testo vom Berliner Duo Zugezogen Maskulin nie etwas wissen, sie machten sich darüber lustig. Wenn der als Moritz Wilken geborene grim104 im Song ,,Abrakadabra“ zu Beginn des Konzerts wie schon seines jüngsten Albums ,,Imperium“ aus Anlass seiner frühen Mittlebenskrise eine Bilanz zieht, ist es nicht Kraft – also Härte, wie bei den Kollegen vom Gangsta-Flügel -, auf die er seinen Erfolg als Rapper zurückführt, sondern Glück. Musikalisch indes warten er und sein DJ (und mitunter auch Violinist) Kenji451 durchaus auch mal mit einer mitreißenden Bretthärte auf.
Die Musik sagt zumeist: „Party!“, in seinen Texten indes ist grim104 der sympathische Skeptizist. In gewisser Weise vergleichbar mit dem Autor einer relevanten Autobiografie, bringt er es immer wieder zuwege, Ich und Zeitgeschichte in eine Beziehung zu setzen. Dabei bleibt der Song Song und will kein Essay sein. ,,Zwei Wochen Wohnungen suchen in Berlin/Und schon wird man ein Kommunist“.
Imperien und Videotheken
Da geht es viel um Selbstbetrachtung – „Ich bin der Herrscher dieses Reichs aus Melancholie/und verlass es nur am Dienstag für die Therapie“ – wie auch um die letzten Dinge – „Geformt aus einer Welt, die vor mir schon da war./ … /Die ist jetzt Asche, wo geh’ ich hin, wo geht es hin?“. Alles geht irgendwann darnieder, Imperien gehen zugrunde, und auch die Videotheken, die so hießen in der Zeit der Jugend in den neunziger Jahren gibt es nicht mehr.
Körperlich wirkte Wilken ein wenig angestrengt; in einer der Ansagen klang etwas von Grippe an. Ohne Frage aber gab er sprichwörtlich alles im Sinne einer hyperdynamischen Rapshow. Freilich treibt ihn die Sorge um, ob er bei einem jungen Publikum noch punkten kann. „Färb’ ich mir die Haare blond?/Ist Palm Angels echt noch in?“ Im Saal tummelte sich praktisch ausschließlich Wilkens eigene Altersklasse.