Der Mozartdarsteller
Pianist Fazil Say und das hr-Sinfonieorchester unter Peter Oundjian bieten in der Alten Oper Frankfurt Phänomenales.
D er Selbstdarsteller, in den bildenden Künsten gerne gesehen, ist in den reproduktiven eher eine problematische Figur: das sich interessant machende Solisten-Ego, das in Zeiten starker kulturbetrieblicher Konkurrenz den musikalischen Vorgang oft zu einer Bühne für eigenschöpferische Ambition degradiert.
Zu dieser Spezies scheint auch Fazil Say zu gehören, der Artist in Residence des Hessischen Rundfunks von vor vier Jahren, der jetzt wieder mit dem hr-Sinfonieorchester musizierte. Wolfgang Amadeus Mozarts C-Dur-Klavierkonzert KV 467 war die gemeinsame Darstellungsaufgabe, und der 1970 geborene Say bewältigte sie mit all den Attitüden, die seinen Auftritten eigen sind. Aber bei diesem Solisten hat man Glück, denn das performative Szenarium, das sich aus vielen manierierten Haltungen des Verharrens, der Abwesenheit, der schrägen Selbstgefälligkeit in den Pausen seines Spiels zusammensetzt, kann man dem Künstler leicht nachsehen. Es ergibt sich nämlich ein klangliches Resultat, das von enormer plastischer Körperlichkeit und blitzblanker Wachheit bestimmt ist. Es trifft so genau die charakteristischen Profile der mozartischen Musik, dass man fast an eine kongeniale habituelle Korrespondenz des Spielers mit dem Komponisten glauben möchte: Say – der Mozartselbstdarsteller. Dazu kam die Brillanz des rein technischen Vollzugs.
Vor Mozart gab es die Deutsche Erstaufführung einer Komposition Fazil Says über seine Leseerfahrungen mit Hermann Hesse („Siddhartha“), Dostojewskij („Weiße Nächte“), Kafka („Die Verwandlung“) und Albert Camus („Der Fremde“). Reizvolle Klangflächen in rhythmischer Schwingung feiner und grober Art, zu der das Raschèr Saxophone Quartet viel an Farbe und Gestaltprofil beitrug. Phänomenal war das hr-Sinfonieorchester unter der Leitung des kanadischen Gastdirigenten Peter Oundjian, der einen starken Eindruck im Großen Saal der Alten Oper machte.
Der bestätigte sich im finalen Werk des Abends, wo Antonín Dvoráks 7. Sinfonie in d-Moll auf dem Programm stand. Das Werk von 1885 erschien in so vielen gebrochenen Farben, so wenig bloß bunt und knallig, so different in der Kunst des Übergangs und doch wo nötig massiv und anspringend, wie man es sonst nicht erlebt. Oundjian, seit 2004 Chef des Toronto Symphony Orchestra, versteht es, Klangverläufe zu formulieren und das Dvorák-d-Moll zu hochdramatischem und tieflyrischem Sprechen zu bringen.